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21.12.2009
ungeprüfte Kritik
Die Vorweihnachtszeit 2009 neigt sich dem Ende, die Feiertage nahen. Auch die Verleihveröffentlichung eines neuen Quentin Tarantino Films rückt näher. Mitte Januar erscheint INGLOURIOUS BASTERDS auf DVD und Blu-ray und beschert uns in den Heimkinos einen Film über den 2. Weltkrieg, der bereits im Kino für kontroversen Gesprächsstoff gesorgt hat. Die bei Hildesheim geborene Schauspielerin Diane Krüger spielt dort als Bridget von Hammersmark eine tragende Rolle, ebenso wie Daniel Brühl, der als junger Kriegsheld Frederick Zoller in INGLOURIOUS BASTERDS (USA/Deutschland 2009) gleich zweifach (im Film und im Filmgeschehen) auf der Kinoleinwand erscheint.
Das war jedoch nicht das erste gemeinsame Projekt von Krüger und Brühl, nicht einmal der erste Kriegsfilm, denn schon 2005 trafen sie sich am Set von MERRY CHRISTMAS, einer Kooperation der Produktionsländer Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Belgien und Rumänien. Welchen besseren Anlass gibt es, um diesen Film des Franzosen Christian Carion erneut ins Rampenlicht - ins festliche Kerzenlicht - zu rücken?
"Ich wollte sie nicht rehabilitieren, aber zumindest von ihnen sprechen." Das sagt Regisseur Carion über die Soldaten, deren Geschichte im Ersten Weltkrieg er erzählt. Der 24. Dezember 1914 sollte der erste Heiligabend sein, den die schottischen, deutschen und französischen Truppen in den Schützengräben zu Kriegszeiten erleben sollten. Nur wenige hundert Meter von einander entfernt kauern sie in ihren Stellungen, in Sichtweite zum Gegner. Und was macht der Feind? Er stimmt mit Dudelsackmusik ein Volkslied an. So greift der Deutsche Nikolaus Sprink (Benno Fürmann) beherzt… nein, nicht sein Gewehr, sondern einen kleinen geschmückten Tannenbaum, tritt aus dem Schutz des Walls heraus und stimmt ein Weihnachtslied an.
Kitschig klingt das, wenn man es hier aufschreibt. Der Film stellt sich jedoch der Herausforderung, die historische Begegnung auf dem Schlachtfeld zu rekonstruieren, obwohl doch die tatsächliche Überlieferung schon so wenig plausibel und Hollywood-reif klingt, dass man vermuten könnte, sie würde in Form eines europäischen Spielfilms mit namhafter Besetzung, noch unglaubwürdiger. Doch das Ausleihen lohnt sich.
Zehn Jahre trug Carion die Drehbuchidee mit sich herum, nachdem er auf Quellen zu dieser Begebenheit gestoßen war. Er musste sich vor diesem Projekt erst einen Ruf erarbeiten, das sagt er im Making-Of, so dreht er zunächst EINE SCHWALBE MACHT DEN SOMMER (2001), ein sonniger Stoff über eine junge Frau, die auf dem Bauernhof eines alten Eigenbrödlers zu sich selbst findet. Alles Zwischenmenschliche stand schon dort im Zentrum und wird 2005 in MERRY CHRISTMAS der Hauptantrieb der Geschichte.
Vielleicht ist das die Hauptursache für den Ärger, den mancher Video Buster Besprechungstexte ausdrückt: "Mir wurde zuviel gesungen…", "nett erzählt, aber zu langatmig…", "mehr Liebesfilm als Kriegsfilm". Sicherlich dürfen Sie hier keine Nähe zu den Kriegsgräueln wie in DER SOLDAT JAMES RYAN (1998) erwarten. Aber auch wie in der mehrteiligen Miniserie BAND OF BROTHERS (2001) sind wir Zuschauer mittendrin in den Schützengräben, hetzen mit der Kamera den Soldaten hinterher. Dabei sind die Lager von vornherein nicht klar verteilt: Wir sind bei zwei schottischen Brüdern, bei einem französischen Sohn, dem deutschen Sänger und Soldaten Sprink. Die auf der DVD einstellbare Originalfassung mit deutschen Untertiteln lässt diesen Wechsel der Fronten noch deutlicher werden. Vom Französischen, ins Englische, zurück ins Deutsche sprechen die zentralen Filmfiguren, die sich schließlich auf dem Schlachtfeld über die Sprachbarriere hinweg verstehen können.
MERRY CHRISTMAS hat eine Aktualität, die nicht durch die stetig wachsende Entfernung zur bald schon ein Jahrhundert zurückliegenden, durch Briefe und Schriften überlieferten Ereignisse verloren geht. Man denke beispielsweise an den im Dezember 2009 ergebnislos zu Ende gegangenen Klimagipfel in Kopenhagen, bei dem wieder einmal klar wurde, wie schwer ein Konsens zwischen den Nationen zu erzielen ist. Die menschlichen Werte, die Christian Carion transportiert, sind es wert, dass sein Film auf im offiziellen Programm der Filmfestspiele in Cannes vorgestellt wurde, dass andere Video Buster Entleiher würdigend davon schreiben, "dass man auch Kriegsfilme einmal anders zeigen kann…", dass er "ein sehenswertes Plädoyer gegen den Krieg" darstellt, der " auf eine ganz andere Art als sonst üblich zeigt, wie sinnlos der Krieg ist".
Dazu können Sie Diane Krüger und Daniel Brühl in ihrem Aufeinandertreffen erleben, das sicher auch Quentin Tarantino beschäftigt hat. Sie können den Franzosen Dany Boon in einer kleineren Rolle als Ponchel erleben, bevor Boon 2008 mit WILLKOMMEN BEI DEN SCH'TIS als Regisseur und Produzent zu internationalem Ruhm und Reichtum kam. Und sie können ganz einfach einen Weihnachtsfilm erleben, der uns eine kleine Episode aus dem Ersten Weltkrieg näher bringt, mit einer schönen (Farb-)Stimmung, ordentlichen Schauspielern und nach 111 Minuten im richtigen Moment den Sprung zum Abspann findet.