Ein ziemlich fesselnder und authentisch wirkender Film, der einen absolut mitreisst, nicht nur vom Soundtrack her sondern auch von der tragischen und zugleich beeindrucken Story, die sich als Charakterstudie verkauft. Natürlich sollte man einen Draht zur Technoszene haben, und elektronische Musik schätzen! Paul Kalkbrenner legt ein einwandfreies Schauspieler-Debüt hin, auch wenn er nicht mehr machen braucht, als sich quasi selbst zu spielen, den niemand kennt sich wohl besser in der Szene aus als er. Auch wenn Kalkbrenner und Ikarus natürlich zwei unterschiedliche Personen sind, verkörpert Kalkbrenner den Drogensüchtigen DJ Ikarus ideal. Regisseur Hannes Stöhr gelingt es dem Zuschauer die Technoszene näher zu bringen, zwischen Musikrausch, Drogenkonsum, Sex und den dazugehörigen Absturz zwischen Halluzinationen, Entzug, Nervenklinik und Erfolg ohne dabei den moralischen Finger zu heben!
Abgerundet wird das ganze mit einer grandiosen Kameraarbeit, viele Szenen werden wunderbar eingefangen, die Schnittarbeit ist brillant und viele Sequenzen sind schön anzusehen, vor allem werden einige Ecken von Berlin atmosphärisch toll in Szene gesetzt. Mit den Charakteren kann man sich als Otto Normalverbraucher gut identifizieren, da die Darsteller natürlich bleiben, sie suggerieren dem Zuschauer eine gewisse "echtheit", so als würde sich das ganze direkt um die Ecke abspielen! Wundervoll auch die Tatsache das Stöhr seinen Hauptcharakter nicht als sauberen DJ darstellt, ohne Schusslöcher! Sondern ihn eher als psychisch gebrochenen Genie darstellt, der unter schwerwiegenden Umständen, versucht ein Album auf die Beine zu stellen, und stellt somit die künstlerische Fähigkeit ins Rampenlicht, die trotz Abhängigkeit, Entzug und privaten Eskapaden das Zepter in die Hand nehmen soll!
Ein ziemlich atmosphärischer Film, in dem uns Paul Kalkbrenner mit seinem besten Minimal und Electro Sound in Party Stimmung versetzt, der ideal in diesen Film passt und sich gut ins Szenario einfügt. Der restliche Cast ist nicht besonders auffällig, abgesehen von Corinna Harfouch die bekannt ist für solide Leistungen! Die Dialoge fallen eher mager aus, aber das verzeiht man dem Film. Dafür kann man sich gut in die Situation hinein versetzen die der Berliner DJ so durchlebt, im großen und ganzen eine ziemlich gute deutsche Produktion, die uns mit alltäglichen Abhängigkeiten, Problemen, und Abstürzen konfrontiert! So stellt man sich eine Therapie vor, abfeiern in der Klinik! Und genau da ist die einzigste Schwäche im Film erkennbar. Der Aufenthalt in der Nervenklinik wird viel zu oberflächlich und verantwortungslos dargestellt, unfähiges Personal, zu wenige Pfleger, und wie kann man bitteschön einen 19 jährigen mit akut unberechenbaren Entzugspatienten konfrontieren und ihm sogar die Nachtschicht überlassen? Einzigstes unglaubwürdiges Drehbuchdefizit!
Sonst verwöhnt uns "Berlin Calling" aber mit einem wundervollen Sountrack, einer guten Kameraarbeit, authentischer Atmosphäre und einem gut spielenden Paul Kalkbrenner, der die anderen eher schwachen Darsteller in den Schatten stellt. Wer ein Fan von Paul Kalkbrenner ist und die Musikrichtung electro/minimal schätzt (sich mit der Technoszene auseinandersetzt) ist mit diesem schicksalsreichen Film gut bedient! Wer eine Hollywood-Produktion erwartet wird vielleicht enttäuscht sein, aber das kann man hier auch nicht erwarten, irgendwo zwischen "Wir Kinder vom Banhof Zoo" und Club-Szenario. Kritisieren könnte man noch die Altersfreigabe, ich weiß nicht ob bildlich festgehaltenes Drogen konsumieren, leichte Sexszenen für 12 Jährige so vom Vorteil sind, da die Geschehnisse schon ziemlich erschütternd sind. Nebenbei ist der Film nicht unbedingt Massentauglich, wer mit der Musikrichtung und der Club-Szene nichts zu tun hat, wird weniger begeistert sein das Schicksal eines Berliner DJs zu begutachten, Sonst aber finde ich keinen weiteren Kritikpunkt, der den Unterhaltungswert einschränkt!
Fazit : Aus meiner Sicht eine souveräne realistische deutsche Produktion mit Style und das seit langer Zeit! Die von mir 4 von 5 Sterne erhält, und das nicht nur wegen dem authentischen Effekt und dem genialen Soundtrack, aus dem auch das Album "Berlin Calling" resultierte, sondern weil ich mich voll und ganz unterhalten fühlte, da man zwischen dem Leidensweg und der Dramaturgie auch immer mal wieder was zum lachen geliefert bekommt. Ein Stern Abzug kassiert der Film für ein paar Drehbuch schwächen, und der eher schwachen Leistung der Nebendarsteller. Trotzdem ein absolutes MUSS für Liebhaber der elektronischen Musik und der Techno Club-Szene! Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt nachholen, ein gelungenes Zeitprotät.
ungeprüfte Kritik