Vom Bikini-Casting zur Queen of Remakes - Wie Naomi Watts übers Auswandern nach Australien, eine Comic- und eine Stephen-King-Verfilmung, zu einer Hauptrolle bei David Lynch und zu einer WG mit Nicole Kidman kam
Prolog: In der ersten Filmempfehlung dieses Starporträts spielt der eigentliche Star gar nicht mit: Crossing Over (USA 2009) ist seit längerem auf DVD & Blu-ray erhältlich und zeigt Harrison Ford als Mitarbeiter der US-Einwanderungsbehörde, die illegale Immigranten in L.A. aufspürt. Eine Geschichte über den amerikanischen Traum und dessen Schattenseiten, stark gespielt auch von Ray Liotta als korrupter Angestellter der Behörde. Eine aus Australien stammende, angehende Schauspielerin (Alice Eve als Claire Sheperd) fragt ihn bei einem Treffen in einem Restaurant: "Ich hab gedacht, Sie wollten mit mir über meine Möglichkeiten reden?" Ray Liotta als Cole Frankel (29. Filmminute):
"Alles klar. Es sieht so aus, Claire, Sie wollen offensichtlich Schauspielerin werden, wie Nicole und Naomi. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Filme, die Sie in Australien drehen, nur einen Dreck wert sind. Sie sind Stars, weil sie hier Filme drehen, in Amerika." ("Here's the thing, Claire, you wanna be an actress, like Nicole and Naomi, obviously. You know as well as I do, that what they do in Australia, doesn't count for shit. They're stars, because the make movies here, in America.")
Der Weg zum Ruhm
Jedes Jahr feiert das Städtchen Shoreham in der Grafschaft Kent im Südosten Englands ein Wettrennen mit künstlichen Entchen auf dem kleinen Fluss, der durch den Ort führt. Im Jahr 1968 feierten Miv und Peter Watts dort in Shoreham noch etwas anderes: die Geburt ihrer Tochter! Am 28. September kam die kleine Naomi Ellen zur Welt. Das beschauliche Leben in Kent sollte jedoch nicht lange anhalten...
Mit vier Jahren lassen sich Naomis Eltern scheiden. Als sie sieben ist, verstirbt ihr Vater, der einst, Anfang der Siebziger, als Tourmanager mit den Musikern der Gruppe Pink Floyd unterwegs war. Mit der Mutter - eine Innenarchitektin - und Bruder Ben (* 1967) zog Naomi mehrfach um. Bis sie mit 14 in Australien landete, wo sie erstmals Schauspielunterricht, kleine Werbeauftritte und 1986 ihre erste Filmrolle angeboten bekam.
Bei einem Bikini-Casting, so die Überlieferung, traf sie erstmals ihre spätere gute Freundin Nicole Kidman. Mit ihr stand Watts 1991 gemeinsam vor der Kamera, für die Produktion zu "Flirting" (Austalien 1991, Regie: John Duigan), kurz darauf auch vor der Fernsehkamera mit dem australischen Landsmann Russell Crowe, für die TV-Serie "Home and Away" (Australien 1988-2011).
Leider kein finanzieller Erfolg wurde 1995 die weltweit in Kinosälen gezeigte US-Comicverfilmung Tank Girl, auch der Erfolg von "Jet Girl" Darstellerin Naomi Watts blieb aus. Ihr Bruder Ben Watts zog in diesem Jahr nach New York, nachdem er in Syndey auf dem College of Arts studiert hatte. Er war fasziniert von der Hip-Hop-Kultur im Big Apple, wurde Fotograf bei Kampagnen für Nike & Co., seine Bilder wurden in der Elle und der Vogue abgedruckt. Und die Bewegtbilder seiner Schwester?
Mit Videopremieren wie dem Sequel einer Stephen-King-Adaption, Kinder des Zorns 4 (USA 1996), musste Naomi weiterhin auf ihren Durchbruch warten. Zu dem verhalf ihr schließlich der amerikanische Regisseur, Maler, Fotograf David Lynch mit seinem düsteren Neo-Noir-Werk Mulholland Drive - Straße der Finsternis (USA/Frankreich 2001).
Die anfangs zitierte Verbindung zwischen "Nicole und Naomi" - zwei aus Australien kommende angehende Schauspielerinnen, die den Traum von der großen Karriere in Hollywood wahrmachen konnten - wurde auch auf privater Ebene vertieft. In einem TV-Spot für ein Fleischgericht lehnte die bekennende Vegetarierin Naomi Watts ein Date mit Tom Cruise ab, um sich stattdessen auf das "Lamb Roast" zu freuen (auf Videoclip-Portalen im Internet zu erleben). Im wahren Leben zogen Watts und Nicole Kidman nach Kidmans Trennung von Cruise tatsächlich für einige Zeit zusammen.
Doch schon die Nominierung adelt bekanntlich und so ergatterte Naomi sofort im Anschluss eine neue Besetzung, in der aufwändigen filmischen Neuinterpretation von King Kong (Neuseeland/USA 2005). Mit dem Der Herr der Ringe Filmemacher Peter Jackson ging es fünf Monate nach Neuseeland. Neben der Fortsetzung Ring 2 (USA 2005) lief es dann auch privat bestens: Im Juli 2007 kam ihr erster Sohn Alexander Pete in Los Angeles zur Welt, Vater ist ihr Schauspielkollege Liev Schreiber (siehe u.a. X-Men Origins: Wolverine 2009 oder Salt 2010 im Verleihprogramm).
Ihre Popularität konnte Naomi Watts 2007 noch einmal mit David CronenbergsTödliche Versprechen steigern, im Dezember 2008 kam dann ihr zweiter Sohn Samuel Kai in New York zur Welt. Nur zwei Monate später spielte sie bereits wieder in Tom Tykwers europäischer Produktion The International (2009). Respekt.
Kein Geheimnis ihres Erfolgs: Sie ist nicht nur talentiert, sie hat ganz einfach mit den besten Regisseuren der Gegenwart zusammengearbeitet. Und wo wir Ihnen schon über Naomis Freundin Nicole Kidman berichtet haben: Die spielte im spannenden Die Dolmetscherin (2005) neben Sean Penn…
...und der ist seit dem 7. April wiederum mit Naomi Watts in einem weiteren Polit-Thriller im Verleih zu erleben ist: Fair Game. Dort ist Watts in der Rolle einer CIA-Mitarbeiterin zu sehen. Die echte Valerie Plame-Wilson, deren wahren Erlebnisse hier verfilmt wurden, sagt in einem DVD-Interview-Extra über Darstellerin Naomi Watts: "Sie ist intelligent, umsichtig, wortgewandt, und das Projekt ist ihr wirklich wichtig." ("She is intelligent and she is thoughtful and she is articualte and she really cares about this project.") Um allerdings - wie in der Filmhandlung - bei der Wahrheit zu bleiben und nichts als der Wahrheit, sollte erwähnt sein, dass Valerie Plame-Wilson später im Interview über Sean Penn sagt: "Er ist intelligent, wortgewandt, umsichtig und politisch engagiert." ("He is intelligent, he is articulate, he is thoughtful, he is obviously politically engaged.")
Noch mehr Naomi: Seit dem 21. April ist gleich noch ein Film mit ihr in einer Hauptrolle auf DVD & Blu-ray erschienen: Woody AllensIch sehe den Mann deiner Träume (USA/Spanien 2010). Allens 41. Regiearbeit führt Naomi Watts zurück in ihr Geburtsland, genauer gesagt nach London. Um die Ehe ihrer Filmfigur Sally steht es nicht zum Besten: Ihr Mann Roy (Josh Brolin), ein mittelloser und wenig talentierter Schriftsteller, flüchtet sich in Fantasien über das hübsche Mädchen von nebenan und Sally verliebt sich in ihren Chef, den erfolgreichen Galeriebesitzer Greg (Antonio Banderas). Keiner bekommt was er will, alle machen sich etwas vor und am Ende trifft jeden von ihnen die harte Realität mit der Wucht einer geballten Faust...
Die Zukunft hat noch mehr Naomi zum Ausleihen zu bieten: Voraussichtlich ab dem 14. September wird Mütter und Töchter (Spanien/USA 2009) auf DVD & Blu-ray erscheinen (siehe unten).
Genügend Naomi-Watts-Highlight also, die Ihnen die Wahl bei der folgenden chronologischen Filmauswahl mit ihren Auftritten von 1993 bis 2010 nicht ganz leicht machen. Wer die Wahl hat, hat die Qual - wer einen Film mit Naomi Watts leiht, hat eine gute Filmzeit.