Ein sympathischer Familienvater mit iranischen Wurzeln und ein Professor für Islamwissenschaft. Der eine bittet den anderen zu einem Gespräch über Glauben und Unglauben, Gut und Böse und über die Frage, ob die Gebote des Korans mit Gewalt vereinbar sind. Was scheinbar harmlos im Film 'Martin liest den Koran' von Jurijs Saule beginnt, entwickelt sich zu einem mentalen Kräftemessen, als dem Professor klar wird, dass sein Besucher einen Anschlag plant und die Bombe bereits scharf macht. Nichts steht fest, nichts ist so, wie es scheint in diesem Drama, das drängende Fragen nach Hass und Versöhnung, den Ursachen von Radikalisierung, gegenseitiger Achtsamkeit und einer Welt mit und ohne Gott stellt: Martin (Zejhun Demirov) ist ein 35 Jahre alter Familienvater mit iranischen Wurzeln, der erst seit einem Jahr den Islam studiert. Er besucht Professor Dr. Neuweiser (Ulrich Tukur), einen Professor für Islamwissenschaft, um ihm von seinem aufregenden Terroranschlag zu erzählen, den er heute Morgen initiiert hat. Martin ist verwirrt, wenn man Terroristen kritisiert, denn er glaubt, sie würden nur das befolgen, was im Koran steht. Oder kann Professor Neuweiser Martin eine Passage zeigen, die eindeutig verbietet, Menschen mit Bomben zu töten? Wenn nicht, wird Martins Bombe folgerichtig viele Menschen töten. Dem Professor bleibt keine andere Waffe als der Koran selbst, das Wort Gottes, um zu beweisen, dass Gewalt verboten ist. Aber hat Martin den Professor wirklich nur aufgesucht, um den Rat eines 'weisen Mannes' einzuholen, oder verbirgt sich etwas anderes hinter dem unangekündigten Besuch? Martin selbst ist den ganzen Film über das große Rätsel, das sich erst am Ende in seiner ganzen emotionalen Tiefe entfaltet, um schließlich in den Herzen der Zuschauer zu detonieren...
Kann ein Professor für Islamwissenschaften einem verrückten Bombenattentäter namens Martin beweisen, dass der Koran Gewalt verbietet? Kann er einen Terroristen stoppen und dabei nur das Wort Gottes als Waffe benutzen oder wird er selbst Gewalt anwenden müssen? Davon erzählt der Kinofilm 'Martin liest den Koran' (2025), mit dem Regiekommentar von Jurijs Saule: "Die Herausforderung dieses Films war, über das bloße Erzählen eines Thrillers hinauszugehen: Im Kern steht ein in Echtzeit ablaufendes Kammerspiel, eigentlich ein Duell auf intellektueller wie emotionaler Ebene. Ein Suchender und ein Wissender, eingesperrt in einem physisch wie emotional definierten Raum, der auch durchdrungen ist von einer real wachsenden Bedrohung. Als Regisseur lag die Herausforderung darin, die Spannung nicht nur durch eine äußere Handlung zu erzeugen, sondern durch die subtile Dynamik der Dialoge, die Wechselwirkung von Frage und Antwort - These und Antithese. Die 'Enge' des im Wesentlichen auf den Ort der Lehre (Universität) reduzierten Spielraumes wird dabei zu einem wichtigen dramaturgischen Werkzeug: In dieser beengten Szenerie entscheidet jede Kamerabewegung, jeder Blick, jede Geste über den emotionalen Fortgang. Die Kamera wird zum stillen Beobachter dieses intellektuellen Schlagabtauschs, zum Seismographen von Haltungen, Behauptungen und Hoffnungen, indem sie immer wieder unbequeme oder ungewohnte Bilder, Achsen, Kadrierungen findet. So geht es darum, das Unsichtbare sichtbar zu machen - den Absolutheitsanspruch von Glaubenssätzen und die daran anknüpfenden Zweifel und gleichzeitig generell aktuelle Fragen zu stellen nach Glauben, Radikalisierung und nach moralischen Grenzen - ohne in plakative Didaktik abzurutschen. Wo verläuft die Grenze zwischen Wahnsinn und Überzeugung, zwischen Behauptung und einer Ungewissheit, dass religiöse Schriften Gewalt vielleicht doch nicht rechtfertigen? In einer Welt, in der alles unsicher scheint, bleibt die größte Herausforderung, das Verborgene mit der gleichen Spannung zu enthüllen wie das Offensichtliche. Das haben wir mit 'Martin liest den Koran' versucht." Dafür ging die 'Goldene Lola' 2022 für das beste Drehbuch an Saules Werk: Am 5. Juli 2022 verlieh die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth die 'Goldene Lola 2022 für das beste unverfilmte Drehbuch' an Michail Lurje und Jurijs Saule für 'Martin liest den Koran'. Die hochrangige Auszeichnung ging im Rahmen des Empfangs des Verbands Deutscher Drehbuchautoren 'VDD' an den Film zwischen Thriller und Diskurs, das laut Jury "drängende Fragen nach Hass, Versöhnung, den Ursachen von Radikalisierung, Achtsamkeit und einer Welt mit oder ohne Gott stellt." VDD-Vorstand Nicole Mosleh hob hervor: "Drehbuchautor*innen spiegeln die Welt wider und zeigen manchmal, wie sie sein könnte. Wir erzählen, wie es trotz allem weitergehen kann." Der Deutsche Drehbuchpreis ist die wichtigste und höchstdotierte Auszeichnung für Drehbuchautoren in Deutschland und wird seit 1988 verliehen. Begründung der Jury: "Ein hochspannender, provokant-psychologischer Drahtseilakt, der virtuos mit den Erwartungen des Publikums spielt und sie konsequent unterläuft". Der Jury gehörten in die Drehbuchautorin Brigitte Drodtloff, der Regisseur, Autor und Filmproduzent Florian Eichinger, die Autorin Susanne Finken, der Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent Uwe Janson, der Drehbuchautor Sven Poser sowie die Buch- und Drehbuchautorin Vanessa Walder an.
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