Als Jimmy (Karsten Antonio Mielke) und Hannah (Artemis Chalkidou) endlich einen Käufer für ihr marodes Ferienhaus auf der griechischen Vulkan-Insel gefunden haben, kehrt das ehemalige Paar zum ersten Mal an jenen Ort zurück, an dem es sich zuletzt vor genau zwei Jahren getrennt hat. Mit im Schlepptau: ihre siebenjährige Tochter Luca (Helena Zengel), um deren Liebe die zwei Erwachsenen in ständiger Konkurrenz zueinander buhlen. Kaum angekommen treten trotz aller Bemühungen alte Spannungen und Konflikte an die Oberfläche. Vor allen Dingen Hannah ist eifersüchtig auf das sehr innige Vater-Tochter-Verhältnis, an dessen Exklusivität sie nicht ran zu reichen vermag. Doch auch bei Jimmy löst der bevorstehende Verkauf des Hauses etwas aus. Es ist das unumstößliche Ende von einem einstigen Traum, der gemeinsamen Zukunft als Familie. Dem Berliner Alltag entrissen, geschieht etwas, womit keiner mehr gerechnet hätte: Hannah und Jimmy verlieben sich wieder ineinander. Vorsichtig wagen sie einen Neunanfang als Liebespaar. Doch ausgerechnet ihre Tochter Luca setzt alles daran, genau dies zu verhindern. Luca reagiert eifersüchtig auf die für sie so ungewohnte Situation und fühlt sich vom Thron geschubst. Die eigene Mutter wird für Luca zur Rivalin, die ihr den Papa wegnehmen will. Und so entspinnt sich vor der Kulisse eines Inselidylls ein abgrundtief bösartiger Machtkampf um die Familienkrone. Erschreckend berechnend verfolgt Luca ihr Ziel, um die Wiedervereinigung ihrer Eltern zu sabotieren. Geschockt müssen Hannah und Jimmy erkennen, wie tief sich über die Jahre ein perfider Rollentausch in ihr Familiensystem eingeschlichen hat. Luca ist die Königin an Vaters Seite und nicht mehr bereit die Position des heimlichen Familienoberhaupts herzugeben. Mit kindlicher Cleverness spielt Luca die Beiden gegeneinander aus und entlarvt ihre Eltern als bedürftige Kinder, die von der Gunst ihrer eigenen Tochter abhängig sind...
Regisseurin Mascha Schilinski über ihren Film: "'Die Tochter' hat zwei Wurzeln. Letztes Jahr im Spätsommer saß ich in Berlin draußen auf der Terrasse eines Kreuzberger Restaurants und beobachtete folgende Szene: Ein ungefähr dreijähriger Junge rollte gelangweilt mit seinem Bobby-Car um eine Eisenstange des Vorplatzes vom Café. Quengelnd versuchte er die Aufmerksamkeit seiner Eltern zu erobern, die in ein lebhaftes Gespräch mit Freunden vertieft waren. Wütend über die Nichtbeachtung der Eltern, fing der Junge an, sein Bobby-Car gegen die Eisenstange zu rammen, immer doller. Seine Eltern, lachend am Erzählen, schauten nicht zu ihm. Zitternd vor Wut schmiss sich der Junge auf den Boden und kickte das Bobby-Car zur Seite. Es fiel um. Laut begann er los zu heulen. Jetzt reagierten die Eltern. Die Mutter stand auf, ging zu ihrem Jungen hin, hockte sich neben ihn und wollte wissen, was ihm passiert sei. Der Junge zeigte heulend auf die Eisenstange und rieb sich den Kopf. Die Mutter pustete mitfühlend gegen seine Stirn und der ganze Tisch schaute zu ihnen hinüber - alle raunten dem Jungen tröstende Laute zu. Die Mutter nahm ihr Kind auf den Arm und trug es zum Tisch. Der Junge schaute mich über die Schulter der Mutter hinweg an und ich meinte, ihn ganz leise lächeln zu sehen. Jetzt hatte er die Aufmerksamkeit, die er wollte, obwohl in Wirklichkeit gar nichts passiert war. Eine Art Schlüsselmoment für den Film war noch eine Situation: Fabian Gamper (Kamera) und ich waren zur Vorbereitung unseres vorigen Filmes nach Ligurien gereist. Als wir in der Sonne vor der Eisdiele in Albenga saßen, trat ein Mann Anfang fünfzig mit einer attraktiven Frau Anfang zwanzig im Arm aus der Gelateria. Sie schleckten an ihrem Eis und der Mann lachte verzückt als die Frau versuchte an seinem Eis zu lecken. Der enorme Altersunterschied fiel auf, aber die beiden wirkten wie ein glücklich verliebtes deutsches Urlauberpaar, das zusammen seine Ferien genießt. Da trat eine Frau im Alter des Mannes aus der Gelateria. Sie blieb im Schatten der Markise stehen und schaute zu dem turtelnden Paar in der Sonne. Die feinen Linien um ihre Augen - Lachfältchen, die sie sanft und schön machten - ihr Blick war so ruhig und von so tiefer Traurigkeit, dass er mich im Innersten berührte. Die junge Frau drehte sich zur Gelateria um und rief der älteren Frau zu: 'Mama, wo lang müssen wir?' Aufgereiht in einer Dreierreihe, liefen sie die Gasse entlang und wir konnten ihnen nachsehen: Links die Mutter mit einem halben Meter Abstand zu ihrem Mann, dann der Mann, der Arm in Arm mit seiner Tochter ging. Mutter, Vater, Kind. Aber es sah aus wie Ehe- frau, Ehemann und Geliebte. Wann beginnt Rollentausch innerhalb einer Familie? Wieso haben Eltern plötzlich Angst vor ihren Kindern? Mit dem Film 'Die Tochter' möchte ich eine andere Wirklichkeit zeigen, als die allgemeingültige Annahme, alle Kinder würden wollen, dass ihre Eltern zusammen sind. Die Beziehung zum eigenen Kind stellt für Hannah und Jimmy die einzig konstante Bindung dar - die, die alle Paarbeziehungen überdauert. Sie sind sozusagen gleichermaßen abhängig von ihrem Kind, wie Luca von ihren Eltern. Luca bekommt durch ihre besondere Rolle in der Familienkonstellation eine Wichtigkeit für die Eltern, die ihr viel Macht verleiht. Und wie der Junge auf dem Bobby-Car, nutzt Luca ihre Macht, um ihren Willen durchzusetzen. Das siebenjährige Mädchen ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen: Um ihre Identität - die Königin an Vaters Seite - zu wahren und das Bindeglied der Familie, der Mittelpunkt um den sich alles dreht zu bleiben, wird sie zur Meisterin der Manipulation."
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When Jimmy (Karsten Antonio Mielke) and Hannah (Artemis Chalkidou) have finally found a buyer for their dilapidated holiday home on the Greek volcanic island, the former couple returns for the first time to the place where they last separated exactly two years ago. In tow: her seven-year-old daughter Luca (Helena Zengel), for whose love the two adults are in constant competition with each other. As soon as they arrive, despite all their efforts, old tensions and conflicts come to the surface. Above all, Hannah is jealous of the very intimate father-daughter relationship, the exclusivity of which she cannot match. But the imminent sale of the house also triggers something for Jimmy. It is the irrevocable end of a former dream, the future together as a family. Snatched from everyday life in Berlin, something happens that no one would have expected: Hannah and Jimmy fall in love again. Cautiously, they dare a new beginning as lovers. But her daughter Luca, of all people, is doing everything she can to prevent exactly this. Luca reacts jealously to the situation, which is so unusual for her, and feels pushed off the throne. Luca's own mother becomes a rival who wants to take her dad away from her. And so, against the backdrop of an island idyll, an abysmal vicious power struggle for the family crown unfolds. Frighteningly calculating, Luca pursues her goal to sabotage the reunion of her parents. Shocked, Hannah and Jimmy have to realize how deeply a perfidious role reversal has crept into their family system over the years. Luca is the queen at his father's side and is no longer willing to give up the position of secret head of the family. With childlike cleverness, Luca plays the two off against each other and exposes their parents as needy children who depend on the favor of their own daughter...
Director Mascha Schilinski about her film: "'The Daughter' has two roots. Last year in late summer, I sat outside on the terrace of a Kreuzberg restaurant in Berlin and observed the following scene: A boy of about three years old was bored and rolling his Bobby Car around an iron bar in the forecourt of the café. Whining, he tried to get the attention of his parents, who were engrossed in a lively conversation with friends. Angry about the disregard of the parents, the boy began to ram his Bobby Car against the iron bar, harder and harder. His parents, laughing as they talked, did not look at him. Trembling with rage, the boy threw himself on the ground and kicked the Bobby Car to the side. It fell over. He began to howl loudly. Now the parents reacted. The mother got up, went to her boy, crouched down next to him and wanted to know what had happened to him. The boy pointed to the iron bar, howling, and rubbed his head. The mother blew sympathetically against his forehead and the whole table looked over at them - everyone whispered comforting sounds to the boy. The mother took her child in her arms and carried it to the table. The boy looked at me over his mother's shoulder and I thought I saw him smiling very softly. Now he had the attention he wanted, even though in reality nothing had happened. A kind of key moment for the film was another situation: Fabian Gamper (camera) and I had traveled to Liguria to prepare our previous film. As we sat in the sun in front of the ice cream parlor in Albenga, a man in his early fifties stepped out of the gelateria with an attractive woman in his early twenties in his arms. They licked their ice cream and the man laughed ecstatically when the woman tried to lick his ice cream. The enormous age difference was noticeable, but the two seemed like a happily in love German vacationing couple enjoying their holidays together. Then a woman of the man's age stepped out of the gelateria. She stopped in the shade of the awning and looked at the lovemaking couple in the sun. The fine lines around her eyes - laugh lines that made her soft and beautiful - her gaze was so calm and of such deep sadness that it touched me to the core. The young woman turned to the gelateria and called out to the older woman: 'Mom, where do we have to go?' Lined up in a row of three, they walked along the alley and we could look after them: On the left the mother with half a meter distance to her husband, then the man who walked arm in arm with his daughter. Mother, father, child. But it looked like wife, husband and lover. When does role reversal within a family begin? Why are parents suddenly afraid of their children? With the film 'The Daughter' I want to show a different reality than the general assumption that all children want their parents to be together. For Hannah and Jimmy, the relationship with their own child is the only constant bond - the one that outlasts all couple relationships. They are, so to speak, just as dependent on their child as Luca is on her parents. Luca's special role in the family constellation gives her an importance to her parents, which gives her a lot of power. And like the boy on the Bobby Car, Luca uses her power to get her way. The seven-year-old girl is ready to go to extremes: in order to preserve her identity - the queen at her father's side - and to remain the link of the family, the center around which everything revolves, she becomes a master of manipulation."
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