Die Rebellion beginnt.
Starttag, 16:45 Uhr. Ich sitze im Kino und fühle … mich alt. Links neben mir: 2 Kinder mit erwachsener Begleitung. Ich blicke in die Reihen vor mir und versuche einen Menschen zu erblicken der ebenfalls der Bald 30-Genertion angehört. Fehlanzeige! Hinter mir: ca. ein Dutzend Jungs die knapp die Altersfreigabe erfüllen, wenn überhaupt. Schlimmer als das sie evtl. unberechtigt dort sitzen ist die Tatsachen dass die meisten von ihnen unter dem „Ich kann meinen Mund keine 140 Minuten halten – Syndrom“ litten. Neben dem chronischen Alleswisser war in dieser Gruppe auch der chronische Nichtswisser anwesend, der bei jeder neuen Person, die auf der Leinwand auftauchte, fragte wer das denn sei.
Lange Rede, kurzer Sinn: Schaut euch den Film nicht vor 20 Uhr an!
Wollte ich sonst noch was erzählen? Ja, da war ja noch eine Kleinigkeit, der Simpsons-Trailer!
Herrlich, habe den Kauf der Karte für den 25. noch nicht bereut.
So, nun bin ich aber fertig.
Halt, nicht wegklicken, nach dem Simpsons-Trailer kam ja noch ein Film, und damit endlich zum eigentlich Thema, das da heißt ‚Harry Phoenix und der Orden des Potter’ oder so ähnlich.
„Tatze? Kenn ich nicht.“ Wenn es euch ähnlich geht solltet ihr euch die letzten Vorgänger dieses Films noch einmal anschauen, denn die Story baut auf diesen auf.
Dementsprechend trifft man einige alte Bekannte aus dem „Gefangenen von Askaban“ und „Feuerkelch“ wieder: Lupin, Sirius, Moody.
Zum ersten Mal tauchen also Lehrer des Fachs „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ ein zweites Mal in einem Harry Potter–Film auf. Allerdings ohne dabei eine Fuß in die Schule zu setzen, denn den Unterricht übernimmt dieses Mal eine Frau!
Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, aber sie ist dort auch nicht um den Schülern etwas beizubringen, sondern HALT! Ich wollte gar nicht so viel über die Story verraten.
Jedenfalls geht es in „Orden des Phönix“ weniger darum das Harry und seine Schulfreunde den Umgang mit Magie lernen, als das sie sie anwenden. Denn aus den braven Schulfilmen
ist ein Politdrama um Intrigen und Machtspielchen geworden, das in einen handfesten Krieg ausartet.
Genug gespoilert. Weitere Spoiler werde ich jeweils vorher androhen.
Mut ist schon immer in zentrales Thema in der Welt von Harry Potter. Den bewies dieses Mal auch Warner Brothers, indem sie den fast ausschließlich durch TV-Filme bekannten Regisseur David Yates die Adaption von „Harry Potter und der Orden des Phönix“ überleisen. Der Mut wurde belohnt.
Yates versteht es die Stimmung ab der ersten Minute auf den Boden zu drücken, und sie dort zu halten. Somit macht er allen Zuschauern im einstelligen Alter klar: „Der Film ist nichts für euch“!
Für Harry geht es bereits nach wenigen Minuten um sein Leben und den Erhalt seiner Lebensmittelpunkte. Er muss kämpfen, und das den ganzen Film über. Gegen Lehrer, sich selbst, Gefühle und natürlich gegen ihr-wisst-schon-wen!
Für Daniel Ratcliffe war es mit Sicherheit die bis dahin schwierigste Aufgabe den Zauberschüler darzustellen. Auch wenn er immer noch die Gesichtsvielfalt von Matt Damon geerbt zu haben scheint, bekommt er dies ordentlich in den Griff.
Den Leistungssprung von Emma Watson (Hermine) fand ich aber, wie schon beim ‚Feuerkelch’ ein wenig größer. Sie gibt ihrer Rolle Facetten die Rowling selbst wohl gar nicht vorgesehen hat. Dies kann jeder interpretieren wie er will, ich finde es gut.
Rupert Grint (Ron Weasley) kann sich mit dieser Leistung lediglich als Komödiendarsteller bewerben, seine witzigen Dialoge mit Hermine waren dafür aber echte Highlights.
Kurz zu den neuen Charakteren:
Da wäre als erstes Ms. Figg, die Nachbarin von Harry, die seltsamerweise Dumbledore kennt (dass sie von Zauberern abstammt ohne selbst eine Hexe zu sein wird verschwiegen). Ihr Kurzauftritt ist zwar von Bedeutung, sie gerät aber schnell in Vergessenheit.
Die trifft auf den nächsten Neuling keineswegs zu: Tonks ist mit einem Wort u beschreiben: HAMMER! Allein wegen ihr freu ich mich schon auf den sechsten Film, indem sie wohl ein wenig mehr Einsätze bekommen wird, als die sporadischen Kurzauftritte hier.
Ein weiterer neuer Charakter ist, wie üblich, der neue Lehrer des Fachs ‚Verteidigung gegen die dunklen Künste’. Dolores Umbridge ist ein dermaßen unsympathischer Kotzbrocken das man ihr bereits nach ihrer zum Einschlafen aufrufenden Antrittsrede nur das Schlechteste wünscht. Imelda Staunton liefert hier die beste Leistung der gesamten Filmreihe ab. Wie rigoros und selbstherrlich sie agiert, immer mit einem falschen Lächeln auf den Lippen, ist ganz großes Kino. Für mich ein Kandidat für den Nebendarstellinen-ed.
Eine bisher unbekannte Schülerin bekommt man auch noch vorgesetzt: Luna Lovegood. Was sie eigentlich für einen Sinn hat wird nie ganz klar, jedenfalls redet sie seltsam daher und unterstützt Harry bei seinen Kämpfen gegen Umbridge und Voldemort.
Kommen wir nun zum bösesten der neuen Charaktere, die übrigens allesamt Frauen sind. Die Totesserin Bellatrix Lestrange(Helena Bonham Carter) wird als absolutes Sinnbild des durchgeknallten Voldemort-Anhängers dargestellt und sieht wirklich zum Fürchten aus.
Kommen wir nach diesem Girlsclub mal wieder zu einem Mann, zu dem im Regiestuhl. Nun stellen wir uns die Frage was wir mit 150 Millionen Dollar machen würden. Wer sich das überlegt hat, dem verrate ich was der gute Mr. Yates damit gemacht hat. Er hat damit ein Effektfeuerwerk geschaffen das zum einen eindrucksvolle Bilder liefert, zum anderen diese nicht in den Vordergrund stellt, sondern sie als Mittel zum Zweck einsetzt. Optische Elemente sorgen dafür dass man bei den teilweise schnell geschnittenen Kämpfen nicht den Überblick über die Protagonisten verliert. Sie erwecken Zaubersprüche zum Leben, sie sorgen für AHA-Effekte und sorgen für die stets passende Stimmung.
Die Gänge auf dem Weg zum finalen Endkampf sind tiefschwarz, Dolores Umbridge kitschig-pink. Das Spiel mit den Farben und Effekten beherrscht Yates wirklich sehr gut. Dabei passt er die Optik der Situation an und stellt nicht alles grau dar oder liefert permanent schlechtes Wetter wie Mikel Newell in Teil 4.
Aber er nutzt das Geld nicht nur für Effekte, er liefert Landschaftsaufnahmen vom Hogwartsgelände ebenso wie Stadtrundflüge inkl. britischem Parlament.
Da ihm WB zu wenig Zeit gibt die umfangreiche Geschichte auszuschmücken wird der Zuschauer über einige Ereignisse per Zeitungsbericht informiert. Jahreszeitwechsel werden mittels kurzem Überflug über das Hogwarts-Gelände vermittelt, ähnlich wie im 3. Teil.
Dessen dichte Athmosphäre ist es was dem ‚Orden des Phönix’ ein wenig fehlt. Es zieht sich ein wenig zwischen Phönixorden, Dumbleodres Armee, und damit Hogwarts und Grimaudplatz, der übrigens ‚Place’ genannt wird, hin und her. Das weitere Manko im Vergleich mit dem bisher besten Film der Reihe ist die verhältnismäßig einfache Story. Alles bewegt sich auf das große Finale zu, an dessen Ende es keine Wendung mehr gibt, nein, kurz darauf ist der Film vorbei.
Für Trauer ist dann keine Zeit, nein dem Zuschauer wird entgegengeschmettert das der begonnen Kampf im Mittelpunkt der restlichen Serie stehen wird. Auch wenn hier Emotionen wünschenswert gewesen wären, passt das offene Ende wirklich gut, weil jeder weiß das da noch was kommt.
Ein wenig kommt auch noch in meiner Kritik.
Denn was in einem Jugendfilm, ich vermeide bewusst den Begriff Kinderfilm, nicht fehlen darf ist trotz aller Bedrohung und Düsternis ist ein gewisser Humor. Den setzt Yates zielgerecht ein, lässt Rons humoristisch veranlagten Brüdern genug Freiraum um ihre farbenfroh inszenierten Scherze durchzuführen. Für weitere Gags sorgen Hermine und Ron die sich zahlreiche pointierte Wortgefechte liefern. Filch, der ja bereits in Teil 4 zur Witzfigur verkommen ist, sorgt hier wiederum für einige unterhaltsame Einlagen, die allerdings nicht ganz so lächerlich wirken wie beim ‚Feuerkelch’. Reden darf er dabei allerdings kaum. Man könnte ihn fast als Statist bezeichnen.
Allerdings passt es zum Konzept des Films, das offensichtlich von dem Prinzip ‚Ein Bild sagt mehr als tausend Worte’ abgekupfert wurde. In vielen Szenen wird nicht mehr geredet als nötig, klärende Worte dessen was man sieht sind oftmals einfach nicht nötig.
Ein gutes Beispiel hierfür sind die Traumsequenzen. Diese schaffen es ohne Worte die gute Laune zu zerstören und dem Zuschauer bewusst zu machen warum er da ist, also Harry, nicht der Zuschauer.
Er muss in den Krieg ziehen, er muss gegen Voldemort kämpfen. Eigentlich nichts Neues mehr für den kampferprobten Zauberschüler, aber dieses Mal ist der Kampf deutlich emotionaler als je zuvor. Diese Emotionen darf Ratcliffe voll ausleben, besonders wenn er gemeinsam mit Gary Oldman alias Sirius Black auf der Leinwand zu sehen ist. Ihr väterliches Verhältnis ist rührselig ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Der Höhepunkt der Beziehung ist erreicht, als während eines Kampfes Sirius Harry plötzlich James nennt. Es wird wohl ein Versprecher gewesen sein, das vom Regisseur bewusst geplant war. Es ist gewissermaßen Harrys Ritterschlag, die Bestätigung dass er jetzt erwachsen ist.
Emotionen ein wenig anderer Art hat Harry gegenüber einer Mitschülerin. Allerdings wirkt dieser Plot ein wenig aufgesetzt. Man wollte Harrys ersten Kuss wohl auf jeden Fall in den Film einbauen, wusste aber um die Irrelevanz um die Geschichte drum herum, die deswegen richtigerweise gestrichen wurde. Aber er hat eine der witzigsten Szenen des ganzen Filmes zur Folge.
Ganz andere Emotionen erlebt Harry durch das Mittun seines Erzfeindes Voldemort. Zum ersten Mal erlebt man einen in sich zerrissenen Harry, der sich seiner Verbindung zu Voldemort bewusst ist, und sein eigens Wesen mit dessen gleichstellt.
Wie bereits angedeutet leistet Daniel Ratcliffe ordentliche Arbeit, dies schließt die Darstellung dieser sehr unterschiedlichen Emotionen auf jeden Fall ein. Ebenfalls stark fand ich seine Szenen als Lehrer.
Ein Problem in Romanverfilmungen ist ja häufig ein hohes Tempo, hierunter leiden Harry Potter – Filme umfangsbedingt auch das oder andere mal.
Hier fiel mir das Tempo lediglich am Ende negativ auf, als nach gefühlten 100 Minuten der Film bereits vorbei vor. Es hätte ruhig ein wenig mehr sein können. Denn diese realen 138 Minuten fühlte ich mich sehr gut unterhalten, hatte meinen Spaß, war abgetaucht in einer anderen Welt und erlebte in dieser eine spannende Geschichte.
Eine Geschichte die sich deutlich erwachsener präsentiert als bei den Vorgängern. Schulinterne Wettkämpfe? Fehlanzeige! Schulturniere zum Zuge der internationalen Verständigung? Unnötig. Kein Jagen nach irgendwelchen Pokalen oder guten Noten, wobei letztere eine rudimentäre Rolle spielen. Die Bibliothek, früher ein zentraler Ort der Handlung, wird kein einziges Mal erwähnt. Hauspunkte werden auch keine vergeben oder abgezogen. Dafür gibt es eine Jagd nach Glaubwürdigkeitspunkten, in deren Wertung der machtbesessene Zaubererminister Fudge Harry stets einen Schritt voraus ist. Aber nicht nur um Macht im Ministerium geht es, nein auch innerhalb Hogwarts entsteht ein Machtkampf wie man ihn vorher noch nie erlebt hatte.
Kurz noch ein paar Anmerkungen die Spoiler enthalten:
Percy Weasley, Rons Bruder den man aus den ersten drei Filmen kennt, ist in zwei Kurzauftritten zu sehen. Da seine im vierten Teil aufgebaute uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem Ministerium dort nicht erwähnt wurde, ist seine Rolle in diesem Teil doch schwierig nachvollziehbar.
Eine kurze Erwähnung des Bruchs mit seiner Familie z.B. bei der Weihnachtsfeier wäre da hilfreich gewesen.
Warum hat ein Avada Kedavra von Bellatrix Lestrange andere Auswirkungen als bei Voldemort bzw. Wurmschwanz? Auch wenn die Regisseure wechseln, wäre ein wenig Kontunität wünschenswert, aber das ist wirklich nur ein sehr kleines Übel.
Spoilerende .
Wer sich über die geänderte deutsche Stimme von Dumbledore wundert, dem sei hiermit gesagt, das er diese evtl. kennt, da sie früher für einen anderen Schauspieler verwendet wurde, nämlich für Bud Spencer!
Zum Schluss muss ich noch Nigel erwähnen. Im vierten Teil war dieser kleine Knirps nur kurz zu Sehen, hier darf er kämpfen und hat ein paar Dialoge mit Harry. Das Besondere an Nigel ist, das er nicht im Buch auftaucht.
Fazit:
Eigentlich habe ich genug geschrieben. Bleibt nur zu sagen dass der Film düster ist und daher meiner Meinung nach nichts ist für folgende Bevölkerungsschichten:
1. Kinder bis 10 Jahre wenn sie die Romanvorlage kennen.
2. Kinder bis 14 Jahre wenn sie die Romanvorlage nicht kennen.
3. Menschen die weder Buch noch vorhergehende Filme kennen.
4. Menschen mit schwachen Nerven
In meinem persönlichen Harry Potter – Ranking liegt der Film knapp hinter meinem Favoriten, dem „Gefangenen von Askaban“ auf Platz 2. Das Abenteuer präsentiert sich noch eine Spur erwachsener als das Vierte, bei dem es vordergründig ja um Ruhm und Ehre geht, während dieses Mal das Handeln des dunklen Lords nicht so lange im Verborgenen bleibt.
ungeprüfte Kritik