Liebe Jelena Sergejewna

Ein Neubaublock wie viele andere. Junge Leute balancieren ausgelassen auf den Außentreppen. Die Sonne scheint, jeder will ihre Strahlen erhaschen, überall herrscht Fröhlichkeit. Die Wohnung Jelena Sergejewnas dagegen, direkt unterhalb des Hochhausdaches, wirkt ruhig, ja fast hermetisch abgeschlossen gegenüber so viel lärmenden Leben. Die schmächtige Frau, die jahrzehntelang als Pädagogin pflichtbewusst ihren Dienst tat, bewerkstelligt gerade die große Wäsche. Plötzlich klingelt es, vier Schüler einer zehnten Klasse stehen mit roten Rosen vor der Tür, drücken der Lehrerin den Strauß in die Arme. Jelena Sergejewna hatte fast ihren eigenen Geburtstag vergessen. Nach und nach nämlich stellt sich heraus, dass die Schüler gar nicht zum Gratulieren gekommen sind, sondern um ihre Lehrerin unter Druck zu setzen: am Morgen war eine Mathearbeit geschrieben worden, deren Ergebnisse als entscheidend für die Abschlusszeugnisse gelten. Die Chance, dabei gute Noten zu erzielen, wurde vor allem von Pascha und Vitja verpatzt. Jelena Sergejewna, so drängen die Schüler, soll den Schlüssel zum Tresor des Lehrerzimmers herausgeben, damit die Arbeiten ausgetauscht werden können. Als die Lehrerin sich verweigert an einem solchen Komplott mitzumachen, beginnt für sie eine lange Nacht physischer und psychischer Quälerei.