Was bedeutet Antisemitismus heute zwei Generationen nach dem Holocaust? Bei seiner kontinuierlichen Erforschung des modernen Lebens der Israeli bereist Regisseur Yoav Shamir die Welt, sucht nach den modernsten Erscheinungsformen des 'ältesten Hasses' und findet einige alarmierende Antworten auf diese Frage. Im Zuge dieser unehrerbietigen Suche folgt er amerikanischen jüdischen Oberhäuptern in europäische Hauptstädte bei ihrer Mission, die Regierungen vor der wachsenden Gefahr des Antisemitismus zu warnen, und er heftet sich an die Fersen einer israelischen Schulklasse bei ihrer Gedenkfahrt nach Auschwitz. Auf dieser Reise trifft Shamir den kontroversen Historiker Norman Finkelstein, der die unpopuläre Ansicht verbreitet, dass der Antisemitismus von der jüdischen Gemeinschaft und im Besonderen von Israel benutzt wird, um politisch zu gewinnen. Shamir schließt sich auch Gelehrten an, wie z. B. Stephen M. Walt und John J. Mearsheimer, und ist auch bei einem Vortrag in Israel anwesend, den sie nach dem Erscheinen ihres Buches 'Die Israel-Lobby und die amerikanische Außenpolitik' über den unausgeglichenen Einfluss, den die Israel-Lobby in Washington genießt, gehalten haben. Der Regisseur besucht auch Yad Vashem, die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, ein Muss für alle Weltpolitiker, wenn sie Israel einen Besuch abstatten. Während seines Aufenthaltes in Jerusalem schaut er auch bei seiner Großmutter vorbei. Sie vermittelt ihm ihr Verständnis des Themas und erklärt, dass nur sie 'die richtige Jüdin' sei. Der Film stellt unsere Ansichten und unsere Terminologie von Antisemitismus in Frage. Er bewegt sich an der Grenze von Antizionismus, der die Vorstellung eines jüdischen Staates ablehnt, und Antisemitismus, der Juden ablehnt. Wird ersteres dazu benutzt, um das Zweite zu entschuldigen? Und: gibt es einen Unterschied zwischen der heutigen Form des Antisemitismus und der 'alten Form des gewöhnlichen' Rassismus, der sich gegen alle Minderheiten richtet? Meinungen gehen oft auseinander und Gemüter gehen manchmal hoch, doch in 'Hashmatsa - Defamation' erkennen wir, dass eines sicher ist: Nur indem wir ihre Reaktion auf Antisemitismus verstehen, können wir auch nachvollziehen, wie Juden heutzutage, und besonders die modernen Israelis, auf die Welt um sie herum reagieren, in New York, in Moskau, in Gaza und in Tel Aviv.
Regisseur Yoav Shamir über seinen Film 'Defamation' im Januar 2009: "Die Idee, einen Film über Antisemitismus zu machen, hatte ich zum ersten Mal als mein Film 'Checkpoint' veröffentlicht wurde. In einer der vielen Rezensionen zum Film wurde ich als 'israelischer Mel Gibson' bezeichnet, aber nicht, weil ich so gut aussah, sondern aufgrund der Ansichten, die ich in diesem Film zum Ausdruck gebracht hatte: kritisch gegenüber der Politik Israels in Bezug auf die Palästinenser, was darauf hinweise, dass ich ein Antisemit sei. Der Autor dieser Rezession war selbst Jude. Zuerst fand ich es amüsant. Von einem amerikanischen, jüdischen Journalisten als antisemitisch bezeichnet zu werden, schien absolut weit hergeholt. Wie konnte jemand, der sich dazu entschlossen hatte, außerhalb Israels zu leben, der nicht in der israelischen Armee gedient hatte wie ich, der keinen Großvater im Krieg verloren hatte wie ich, die Frechheit besitzen, mich einen Antisemiten zu nennen? Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie über die zentrale Rolle, die der Antisemitismus in unserem Leben spielt, nachgedacht. Als ich aber darüber nachzudenken begann, musste ich feststellen, dass er ein ständiger Begleiter ist, immer im Hintergrund, immer lästig. Nach einiger Zeit gewöhnt man sich einfach daran. Wie oft fühlen wir uns wirklich gestört durch das Summen eines elektrischen Gerätes oder das Brummen vorbeifahrender Autos? Antisemitismus mag uns wie ein Schatten folgen, aber mal ehrlich, wer bemerkt seinen Schatten wirklich täglich? Als ich dann auf ihn aufmerksam wurde, bemerkte ich, dass Antisemitismus eigentlich ein sehr beliebtes Thema im israelischen 'Tagesgeschehen' ist. Es vergeht kein Tag, an dem nicht zumindest in einem Artikel einer Zeitung die Worte 'Nazis', 'der Holocaust' oder 'Antisemitismus' vorkommen. Da ich persönlich nie mit Antisemitismus konfrontiert worden bin – das einzige Mal war der Vergleich mit Mel Gibson – habe ich beschlossen, mich damit auseinander zusetzen. Das war der Beginn einer langen Reise, die ihren Höhepunkt in diesem Film fand. Antisemitismus ist ein mächtiges Wort mit vielen verschiedenen Assoziationen. Durch die erst kürzlich geschehenen Ereignisse wird es auch zu einem sehr heiklen Thema. Antisemitismus ist die ultimative 'heilige Kuh' der Juden. Auch wenn ich diese Kuh nicht zur Schlachtbank geführt habe, selbst die heiligste Kuh braucht hier und da ein Aufrütteln. Manchmal fand ich das Thema respekteinflößend. Über kein anderes Phänomen wurde so viel von Akademikern geschrieben, die ihr ganzes Leben mit dem Studium darüber verbracht hatten. Wer, zur Hölle, dachte ich, bin ich, dass ich etwas Bedeutendes noch hinzufügen könnte? Ich bewegte mich auf wirklich sehr dünnem Eis. Trotzdem beschloss ich, meinem Gefühl zu vertrauen. Jede Frage ist wichtig, wenn ich daran glaube, dass sie wichtig ist. Ich sollte nie davor zurückschrecken, selbst die heiligsten aller Annahmen in Frage zu stellen. Das Ergebnis ist eine persönliche Reise, die die Dinge so zeigt, wie ich sie gesehen habe. Sie ist nicht als akademischer Aufsatz gemeint. Ich habe mit einer faszinierenden Suche begonnen, die sich dahinschlängelt zwischen den Methoden und Wegen, wie junge Israelis im beschwerlichen Schatten des Holocaust herangezogen werden (dieser Film ist irgendwie der letzte Teil einer Trilogie, die in der verkehrten Reihenfolge gemacht wurde: 'Checkpoint', über israelische Soldaten; 'Flipping Out', darüber, was diesen Soldaten passiert, wenn sie die Armee verlassen; und 'Defamation', der sich mit der israelischen Jugend beschäftigt, bevor sie mit ihrem Militärdienst beginnt), zwischen der Anti-Defamation League (ADL), die die größte Organisation weltweit ist, die den Antisemitismus bekämpft, und zwischen jenen, die gegen die ADL sind, wie z.B. Professor Norman Finkelstein, und John Mearsheimer und Stephen Walt, die Autoren von 'Die Israel- Lobby'. Meine Reise hat mich um die ganze Welt geführt: von Israel bis in die USA, von Moskau nach Rom und Polen. Meistens war es jedenfalls eine Reise zur menschlichen Seele, zur Art und Weise wie Menschen denken und in meinem speziellen Fall dazu, wie mein Volk, das jüdische Volk, sich entscheidet, mit der Vergangenheit umzugehen. Ich hoffe, dass alle, die diesen Film sehen, genauso zum Nachdenken angeregt werden, wie meine Suche mich zum Nachdenken gebracht hat, und dass sie ehrlich ihre Meinungen über die Themen, die darin behandelt werden, in Frage stellen."
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What does anti-Semitism mean today, two generations after the Holocaust? In his continuous exploration of modern Israeli life, director Yoav Shamir travels the world, searching for the most modern manifestations of the 'oldest hatred' and finding some alarming answers to this question. In the course of this irreverent search, he follows American Jewish leaders to European capitals on their mission to warn governments of the growing danger of anti-Semitism, and he follows in the footsteps of an Israeli school class on their memorial trip to Auschwitz. On this trip, Shamir meets controversial historian Norman Finkelstein, who promotes the unpopular view that anti-Semitism is used by the Jewish community, and Israel in particular, to win politically. Shamir also joins scholars such as Stephen M. Walt and John J. Mearsheimer, and is also present at a lecture in Israel that they gave following the publication of their book The Israel Lobby and American Foreign Policy on the unbalanced influence that the Israel lobby enjoys in Washington. The director also visits Yad Vashem, the Holocaust memorial in Jerusalem, a must for all world politicians when they visit Israel. During his stay in Jerusalem, he also visits his grandmother. She gives him her understanding of the topic and explains that only she is 'the real Jew'. The film challenges our views and terminology of anti-Semitism. It moves on the border between anti-Zionism, which rejects the idea of a Jewish state, and anti-Semitism, which rejects Jews. Is the former used to excuse the second? And: is there a difference between today's form of anti-Semitism and the 'old form of ordinary' racism, which is directed against all minorities? Opinions often differ and tempers sometimes run high, but in 'Hashmatsa - Defamation' we realize that one thing is certain: only by understanding their reaction to anti-Semitism can we understand how Jews today, and especially modern Israelis, react to the world around them, in New York, in Moscow, in Gaza and in Tel Aviv.
Director Yoav Shamir about his film 'Defamation' in January 2009: "The idea of making a film about anti-Semitism came to me for the first time when my film 'Checkpoint' was released. In one of the many reviews of the film, I was referred to as 'Israeli Mel Gibson', but not because I was so good-looking, but because of the views I expressed in that film: critical of Israel's policy towards the Palestinians, indicating that I was an anti-Semite. The author of this recession was himself Jewish. At first I found it amusing. To be called anti-Semitic by an American Jewish journalist seemed absolutely far-fetched. How could someone who had chosen to live outside of Israel, who had not served in the Israeli army like me, who had not lost a grandfather in the war like me, have the audacity to call me an anti-Semite? Until then, I had never thought about the central role that anti-Semitism plays in our lives. But when I started to think about it, I had to realize that he is a constant companion, always in the background, always annoying. After a while, you just get used to it. How often do we really feel disturbed by the hum of an electrical device or the hum of passing cars? Anti-Semitism may follow us like a shadow, but let's be honest, who really notices its shadow every day? When I became aware of him, I noticed that anti-Semitism is actually a very popular topic in Israeli 'daily affairs'. Not a day goes by without the words 'Nazis', 'the Holocaust' or 'anti-Semitism' appearing in at least one newspaper article. Since I personally have never been confronted with anti-Semitism – the only time was the comparison with Mel Gibson – I decided to deal with it. That was the beginning of a long journey that culminated in this film. Anti-Semitism is a powerful word with many different associations. Due to the recent events, it is also becoming a very sensitive issue. Anti-Semitism is the ultimate 'sacred cow' of the Jews. Even if I didn't lead this cow to the slaughterhouse, even the holiest cow needs a shake here and there. Sometimes I found the topic respectful. No other phenomenon has been written about so much by academics who have spent their entire lives studying it. Who the hell, I thought, am I to add anything significant? I was walking on really very thin ice. Nevertheless, I decided to trust my feelings. Every question is important if I believe it is important. I should never shy away from questioning even the most sacred of assumptions. The result is a personal journey that shows things as I saw them. It is not intended as an academic essay. I began a fascinating quest that winds its way between the methods and ways in which young Israelis are raised in the arduous shadow of the Holocaust (this film is somehow the last part of a trilogy made in reverse order: 'Checkpoint', about Israeli soldiers; 'Flipping Out', about what happens to these soldiers when they leave the army; and 'Defamation', which deals with Israeli youth before they begin their military service), between the Anti-Defamation League (ADL), which is the largest organization in the world that fights anti-Semitism, and between those who oppose the ADL, such as Professor Norman Finkelstein, and John Mearsheimer and Stephen Walt, the authors of 'The Israel Lobby'. My journey has taken me all over the world: from Israel to the USA, from Moscow to Rome and Poland. In any case, most of the time it was a journey to the human soul, to the way people think, and in my particular case, to how my people, the Jewish people, choose to deal with the past. I hope that everyone who sees this film will be as thought-provoking as my search has made me think, and that they will honestly question their opinions about the issues it covers."
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