Zerrissene Umarmungen

Penélope Cruz in einem Film, der Lust auf's Leben macht

Zerrissene Umarmungen: Penélope Cruz in einem Film, der Lust auf's Leben macht
Zerrissene Umarmungen: Penélope Cruz in einem Film, der Lust auf's Leben macht
   20.03.2013

Von Kritikern zerrissen?

Pedro Almodóvar, bekannt für seine keineswegs leicht zugänglichen spanischen Erfolgsfilme, sagt über sein Werk, es sei weitaus komplexer als die vorherigen. "It's more complex." Mehr Komplexität bedeutet bei Almodóvar auch mehr Komplexe. Bei den Filmfiguren oder bei ihm? Oder danach bei uns? Wir sind beim vorliegenden Zerrissene Umarmungen (Spanien 2009) auf alles gefasst...

Zuvor jedoch liegt neben der im Januar 2010 erschienen DVD eine zweite, ebenfalls dunkelrote Disc mit der Aufschrift Volver - Zurückkehren vor uns. Die vorangegangene Zusammenarbeit zwischen der inzwischen mit einer Oscar geadelten Penélope Cruz und dem Regieexzentriker, die dritte von nun vier Kooperationen.

Nie war Penélope Cruz schöner, denken wir im Laufe der zwei Stunden Volver (2006) und trotzdem zielen Internet-Karikaturen über ihr Gesicht her. Die Welt kann grausam sein - nicht nur in Almodóvar-Filmen.
Gleich mehrere Starregisseure haben wegen ihrer aktuellen Veröffentlichungen von Video Buster Mitgliedern ihr Fett weggekriegt. Über Quentin TarantinosInglourious Basterds (2009) liest sich da: "Gewalt ersetzt gute Story, das war bis auf Pulp Fiction in allen seiner Filme so."

Über Jim Jarmusch - einst (?) Ikone der Independent-Filmszene - wird zu The Limits of Control (2009) geschrieben: "Jarmusch ist mit diesem neuesten Film, ähnlich wie Tarantino und Lynch, an seiner künstlerischen Endstation angekommen und schürt lediglich noch den Kult um seine eigene Person."

Das Leben des Pedro Almodóvar

Sind diese Kultfilmemacher tatsächlich ausgelaugt, haben sie sich selbst überholt und zitieren nur noch sich selbst, statt uns eine fesselnde Geschichte zu erzählen?

Bevor man das Pedro Almodóvar vorwerfen kann, ist ein bisschen biographischer Hintergrund hilfreich: Almodóvar wuchs in einer kleinen Stadt in der spanischen Provinz Ciudad Real auf. Im Anschluss an die Grundschulzeit übernahmen franziskanische Padres seine Erziehung und erzielten mit ihrer religiösen Unterweisung genau das Gegenteil: Pedros Glauben schwand.

Religion wurde durch etwas anderes besetzt: die Kunst. Das Kino wurde zu seiner Kirche und mit 17 Jahren zog er ohne Geld von seiner Familie fort nach Madrid, wo er sich als Kurzfilmer betätigte, als Comic- und Fotoroman-Autor, Musiker und Schauspieler.
Penélope Cruz und Lluís Homar in 'Zerrissene Umarmungen' © Universum Film 2009
Penélope Cruz und Lluís Homar in 'Zerrissene Umarmungen' © Universum Film 2009

All diese Einflüsse aus der Zeit in der Hauptstadt sind jetzt wiederzufinden. Wie ein Schwamm hat er damals offenbar die Kultur in sich aufgesogen und jetzt quetscht er sie über Zerrissene Umarmungen aus. Gute zwei Stunden erleben wir eine zerschnipselte Handlung, die sich über einen Regisseur (Lluís Homar), einen Produzenten (José Luis Gómez) und die von beiden begehrte Darstellerin Lena (Penélope Cruz) breitet - und schwer zugänglich vor uns Zuschauern ausbreitet.

Ein Einblick in die Geschichte

Der Regisseur spricht mit seinem Gehilfen über eine Vampir-Geschichte, als würden sich die beiden über heutige Drehbücher amüsieren. Der Produzent fordert einen Fantasy- oder Horrorfilm für Kids, doch der Regisseur bekundet mehr Interesse an einer Geschichte über Arthur Miller, die sich um dessen an Down-Syndrom-gezeichneten Sohn ranken soll.

Typisch Almodóvar, denken wir uns, das kann doch nicht anders als autobiographisch gemeint sein. Während die Handlung von 'Los abrazos rotos' (zerrissene Umarmungen) fortschreitet, überlegen wir, ob die Begierde zur attraktiven Darstellerin ein künstlerisch ausgelebter Fetisch des homosexuellen Regisseurs Almodóvar ist, der tatsächlich gerade hinter der Kamera sitzt, ob Selbstironie dahinter steckt?
Der Kopf arbeitet beim Zuschauen und das ist ein Erfolg. Der Film fasziniert und ist gleichzeitig anstrengend. Darf erst ein alteingesessener Regisseur vom Schlag eines Jarmusch, eines Lynch und eines Almodóvar sich das Recht und die Zeit nehmen, Erzählformen und -rhythmus über Bord zu werfen?

Zumindest auf die Gefahr hin, dass bei Entfaltung der filmgewordenen Ideen die ersten Zuschauer - wir zitieren eine weitere Mitglieder-Kritik - abgesprungen sind: "Da nach 30min immer noch keine Handlung im Film vorhanden war, haben wir die DVD aus dem Player genommen."

Filmerlebnis zum Anfassen

Zur Verteidigung und als Plädoyer, im Zweifel für den Angeklagten, hier unsere liebsten Momente: Wenn ein Fernseher mit den Händen berührt wird und die Filmbilder fast fühlbar erscheinen. Wenn man gleich mit der ersten Einstellung durch eine Kamera auf Schauspieler blickt. Wenn der Produzent vor einem stummen Beamer sitzt, Penelope Cruz eintritt, ihre eigenen Lippenbewegungen synchronisiert und wir feststellen, dass wir ja selbst vor einem Beamer sitzen.
Das ist wahres 3-D-Erlebnis. Kein neues Shutter-Blu-ray-3-D-Verfahren, keine weiterentwickelten High-Tech-Brillengläser oder hochauflösenden Flachbildschirme mit ver-zig-fachter Bildwiederholungsfrequenz. Bei Zerrissene Umarmungen sitzen wir als Voyeur, als Zuschauer, als Teil der Handlung mittendrin. Ist das jetzt wie beim oben zitierten Jim-Jarmusch-Fall "kulturindustrielle pseudo-Kunst"? Vielleicht. Statt Almodóvars Film zu umarmen, sind wir in unserer Meinung auch eher 'zerrissen', hin und hergerissen.

Wenn Sie wissen, worauf Sie sich einlassen und so wie wir fasziniert sind vom Spiel mit dem Film-im-Film, werden Sie die 127 Minuten sicher auch bis zu Ende schauen und einen Tag danach weiter über das Gesehene nachdenken.

Schreiben Sie nach dem Anschauen doch einfach Ihre eigenen Gedanken zu den 'zerrissenen Umarmungen' auf!

Penélope Cruz in einem Film von Pedro Almodóvar:

Zerrissene Umarmungen

Drama

Schon beim Casting für seinen neuesten Film verliebt sich der junge Regisseur Mateo Blanco (Lluís Homar) leidenschaftlich in die wunderschöne Hauptdarstellerin Lena (Penélope Cruz). Eine gefährliche Leidenschaft, denn Lena ist mit dem vermögenden Produzenten...  mehr »

Produktion:
2009
Medien:
DVD, Blu-ray
Freigabe:
FSK 12
Bewertung:

Lola Dueñas und José Luis Gómez in 'Zerrissene Umarmungen' © Universum Film 2009
Lola Dueñas und José Luis Gómez in 'Zerrissene Umarmungen' © Universum Film 2009

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