Was braucht Mann (in diesem Fall der norwegische Regisseur André Øvredal) für eine gelungenen Horrorfilm? Bei The Autopsy of Jane Doe sind es eine Handvoll mit Sorgfalt ausgesuchter Schauspieler, eine packende Story, die den Zuschauer zum Nachdenken anregt, und anhaltende angsteinflößende Stimmung, die einem kaum Verschnaufpausen gönnt.
André Øvredal, der 2010 für den Fantasyfilm Trollhunter verantwortlich war, hat mit seinem neuen Film in der Horrorbranche einen echten Treffer gelandet. Horrorfans dürfen sich nach einer Liste halbherziger 0815-Möchtegern-Horrorfilme seit langem mal wieder auf einen Horrorschocker der alten Schule gefasst machen.
Der Film verzichtet komplett auf jegliches Vorgeplänkel und wirft den Zuschauer von Anfang an direkt ins Geschehen. An einem Tatort wird eine Leiche ohne Identität gefunden, eine sogenannte 'Jane Doe' (Platzhaltername für nicht identifizierte Personen). Zeitgleich arbeiten Vater Tommy (Brian Cox) und Sohn Austin (Emile Hirsch) in ihrem Familienbetrieb, dem örtlichen Leichenschauhaus. In genau dieses Leichenschauhaus bringt nun der Sheriff Burke (Michael McElhatton) die Unbekannte (Olwen Kelly), um ihre Todesursache ermitteln zu lassen.
Der junge Körper der Frau erweist sich als ein einziges Rätsel. Sind äußerlich auch keine Verletzungen zu sehen, so wurde sie innerlich regelrecht verstümmelt. Hat man schon ein paar Horrorfilme gesehen, fängt man an dieser Stelle unweigerlich an zu rätseln, in welche Richtung diese Geschichte gehen könnte. Natürlich hat sich auch André Øvredal aus dem Pott der Horrorklischees bedient und verzichtet nicht auf Klassiker wie beispielsweise das Radio, das ein Eigenleben entwickelt, oder Spiegelszenen. Dies wirkt aber durch die ständig angespannte Stimmung, die der perfekt gewählte Schauplatz, das Leichenschauhaus, mit sich bringt, keineswegs platt oder abgestumpft, sondern fügt sich perfekt in die schaurige Atmosphäre ein.
Schritt für Schritt untersuchen Austin und sein Vater Tommy die namenlose Leiche und haben dabei immer mit Ablenkungen der einen oder anderen Art zu kämpfen. Auch Kameramann Roman Osin hat bei The Autopsy of Jane Doe beindruckende Arbeit geleistet. Mit gezielten Detailaufnahmen stellt er das Geschehene gekonnt dar. Allein die immer wiederkehrenden Nahaufnahmen der Augen oder des Gesichts von Jane Doe lassen einen schaudern und in eine erwartungsvolle Haltung wechseln.
Vater und Sohn stoßen bei der Autopsie mit jedem Schnitt auf ein neues Rätsel und um sie herum häufen sich die mysteriösen Vorfälle. Möchte jemand sie daran hindern, herauszufinden, was mit der namenlosen Frau passiert ist?
Die identitätlose Jane Doe wurde von dem irischen Model und Schauspielerin Olwen Kelly verkörpert. André Øvredal betonte, dass sie die schwierigste Rolle von allen bei den Dreharbeiten hatte, denn sie musste teilweise bis zu 10 Stunden nackt und regungslos auf einem Tisch liegen.
Nach den 86 Minuten der Blu-ray und dem Bedürfnis, mal aufzuatmen, bleibt die Erkenntnis, dass dieser Film von einem Spannungsmoment zum nächsten hechtet mit einer brillanten Auflösung glänzt, die geradezu unmöglich vorherzusehen ist. Ein klitzekleines Minus gibt es allerdings dann doch. Ein paar Minuten eventuell bildlich dargestellte Erklärung der 'Auflösung' wäre sicher für jeden Zuschauer interessant gewesen.
Fazit: Einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre, der zwar gespickt ist mit Horrorklischees, diese allerdings nicht abnutzt, sondern an den richtigen Stellen einsetzt. Perfekte Besetzung der Jane Doe, die trotz ihres durchaus hübschen Gesichts eine bedrohliche und angsteinflößende Atmosphäre versprüht. Genrefans werden von The Autopsy of Jane Doe nicht enttäuscht sein.