Erika und Klaus Mann, die zwei brillanten ältesten Kinder von Thomas Mann, behaupteten oft, Zwillinge zu sein - wohlwissend, dass sie es nicht waren, sich nicht einmal ähnlich sahen. Aber ihre Vertrautheit war von jener Tiefe und Intensität, die man Zwillingen zuschreibt; und es war nicht zuletzt diese Vertrautheit, die beiden die Kraft gab, ungewöhnlich kreativ und intensiv zu leben. Der Dokumentarfilm 'Escape to Life - Flucht ins Leben' beginnt mit einem spielerischen gegenseitigen Interview, entnommen dem gleichnamigen 1939 von Erika Mann und Klaus Mann gemeinsam verfassten Buch. An einem entscheidenden Wendepunkt ihrer Lebensläufe, dem Beginn der Exiljahre in Amerika, denken sie über ihre Vergangenheit und die jüngsten Ereignisse nach, die sie in dieses riesige, fremde Land gebracht haben. Eine fiktive Szene nach Motiven Klaus Manns führt in die Vorstellung der unbeschwerten, glücklichen Kindheit, die Erika und Klaus tatsächlich erlebt hatten. Diese Rückkehr in die hermetische, innere Welt der Kindheit, die Suche nach Zuflucht vor einer feindlichen, unerbittlichen Welt zieht sich wie ein roter Faden durch die Werke Klaus Manns. Als Kinder der berühmtesten Dichterfamilie Deutschlands mussten sich Erika und Klaus Mann der Herausforderung stellen, ihre eigene Individualität und Kreativität im Schatten von Vater und Onkel zu entwickeln und zu behaupten. Erika und Klaus suchten die Liebe und den Respekt des Vaters, der so unerreichbar und allmächtig schien, dass sie ihr Leben lang als 'Der Zauberer' von ihm sprachen. Ihre gegenseitige unbedingte Liebe und Respekt halfen den Geschwistern, sich in diesem Kampf zu behaupten, obwohl besonders Klaus Zeit seines Lebens unter der fehlenden Anerkennung durch seinen Vater litt. Erika und Klaus Mann waren Schriftsteller, Schauspieler, Homosexuelle und Pazifisten. In einer Zeit großer moralischer und politischer Unsicherheit waren ihre moralischen und politischen Überzeugungen schon früh klar und beständig - ihre Handlungen allerdings von Widersprüchen durchdrungen. Klaus war ein Schriftsteller ohne Öffentlichkeit, seine Werke konnten oder durften zu seinen Lebzeiten kaum verlegt werden. Sein Hauptinteresse lag in der 'ästhetisch-religiös-erotischen Sphäre', die Verhältnisse verlangten ihm eine politisch verantwortungsbewusste, kämpferische Haltung ab. Erika war eine Schauspielerin, die miterleben musste, wie Gesetze ihren Auftritten in Europa ein Ende setzten. Sie war lesbisch und dennoch zweimal verheiratet, erst mit dem Schauspieler und späteren Nazikollaborateur Gustav Gründgens, später mit dem Dichter W.H. Auden, durch den sie die britische Staatsbürgerschaft erlangte. Klaus war ein überzeugter Pazifist, der unermüdlich vor dem drohenden Krieg warnte. Als es soweit war, kämpfte er darum, in die amerikanische Armee eintreten und aktiv am Krieg gegen den Faschismus teilnehmen zu können. Als Reporter der allierten Mächte kehrte er, ebenso wie Erika, nach Deutschland zurück, das ihnen längst keine Heimat mehr war und nie mehr werden sollte. Die Beziehung zwischen Erika und Klaus war durch diesen Druck und die Anforderungen ans Leben im ständigen Exil zunehmenden Spannungen ausgesetzt. Sie verlor ihre Unbedingtheit schließlich durch Klaus' Drogenabhängigkeit und durch Erikas allmähliche Hinwendung zum Vater, die Klaus als Verrat angesehen haben muss. Der Film endet mit Klaus' Selbstmord und Erikas Ausweisung aus den Vereinigten Staaten der McCarthy-Ära, wo sie nach so vielen Jahren des Herumreisens ein Zuhause gefunden zu haben glaubte. Mit sorgfältig ausgewähltem, seltenem Archivmaterial, Originalinterviews mit Erika Mann, Gesprächen mit Zeitzeugen: dem Schauspieler Igor Pahlen, der Fotografin Marianne Breslauer, der jüngsten Schwester Elisabeth Mann Borgese und in prominent besetzten Spielszenen, u.a. nach Motiven aus 'Der fromme Tanz', 'Der Vulkan' und 'Speed', haben Andrea Weiss und Wieland Speck eine ebenso spannende wie berührende Hommage an zwei faszinierende Menschen geschaffen, deren Überzeugungen und Ziele nichts an Aktualität eingebüßt haben. Das Geschwisterpaar Vanessa Redgrave und Corin Redgrave (englische Texte) sowie Barbara Nüsse und Ulrich Matthes sprechen die Originaltexte von Klaus und Erika, die die Chronologie des Films bestimmen. In den Spielszenen sind u.a. Cora Frost, Maren Kroymann, Christoph Eichhorn, Guido Kleineidam und Jean Loup zu sehen. Die kongeniale Filmmusik schrieb John Eacott.