Ein schwerer Einstieg für den Zuschauer vor dem Fernseher, der mit ansieht, wie dagegen Bonnaire in ihrer Rolle fast ungeschminkt schuftet. Die liebevollen Gesten der Anderen, die feinere Kleidung, die weniger an permanenter Sparsamkeit ausgerichtete Lebensart. Das sind die Dinge, um die sie die blasse Angestellte und Mutter beneidet, dazu um das Hobby der Hotelgäste: Schach. Eine Erleichterung, dass Hélène/Bonnaire am Geburtstagsabend ihres Gatten hübsch zurechtgemacht ist. Schmerzhaft wiederum, dass ihr Mann rein gar nichts mit ihrem Präsent, einem elektronischen Schachspiel anfangen kann. Er könne es doch gar nicht spielen! Hélène versucht es mit einem Vorschlag: man könne es doch gemeinsam spielen, oder allein. Viel Hoffnung verbindet sie mit diesem schwarz-weiß-gemusterten Brettspiel…
Viel weiter wollen wir gar nicht in die Handlung einsteigen, falls Sie DIE SCHACHSPIELERIN noch nicht angeschaut haben und mit dem Gedanken spielen, sich die DVD vielleicht bei Zeiten auszuleihen. Schwarz-weiß ist tatsächlich nur die Spielfläche, deshalb wird eine Inhaltsangabe (auch in den zwei zitierten Fassungen) dem eigentlichen Geschehen nicht gerecht. Für die Regisseurin mag es sich als schwierig dargestellt haben, möglichst bald auf die Beweggründe zu kommen, warum ihre Frauenfigur aus schlichten Verhältnissen plötzlich aus dem Alltag heraus ein leidenschaftliches Interesse am "Spiel der Könige" entwickelt. So kurz, wie sich die Überschriften in der DVD-Kapitelanwahl lesen, so erleben wir die Entwicklungsschritte beim Ansehen: 1. Schachspielendes Pärchen, 2. Alltagssorgen, 3. Das Geburtstagsgeschenk, 4. Ein faszinierendes Spiel.
Doch Regisseurin Caroline Bottaro bleibt nicht hinter den Möglichkeiten der Geschichte und ihrer Figuren zurück. Sie wählt jede Szene (jeden Zug) mit Bedacht, ohne den Zuschauer in anderthalb Stunden Lauflänge "matt" zu setzen. Ein cleverer Schachzug war die Besetzung von Kevin Kline als Doktor Kröger, einem zurückgezogen lebenden Witwer, für den Hélène im Haushalt arbeitet und der die einzige Bezugsperson zu sein scheint, die sie in ihrem unverhofft entdeckten Enthusiasmus zum Schach bestärken kann. Schach - der Film: 64 Felder - 93 Minuten. Zug um Zug. Einfach scheint es und ist doch komplex, das Spiel und der Film. Hélène erklärt ihrem Mann: "Was das Ziel dabei ist? Na ja, man muss es schaffen, den König seines Gegners zu schlagen." Er ist sichtlich enttäuscht: "Ist das alles?"
Wie schön, dass die Darstellerwahl wunderbar war: Kevin Kline passt (ebenso die ordentliche Synchronisation) und Sandrine Bonnaire ist ohnehin schauspielerisch nicht mit einem Bauer zu vergleichen, sondern mit einer Königin: mit ihren Bewegungen kann sie auf dem Spielfeld in alle Richtungen. Als Schauplatz mag das Schachbrett nicht das Reizvollste sein, aber Kameramann Jean-Claude Larrieu weiß den minimalen Platz am Spieltisch, die Spannung zwischen den Spielfiguren und den Blicken der Spieler gekonnt einzufangen. Ein bisschen nachdenklich ist DIE SCHACHSPIELERIN (Doktor Kröger: "Denken ist anstrengend."), aber unterhaltsam, wie das Schachspiel selbst. Ein wenig traurig, aber hoffnungsvoll ist die Geschichte über Menschen, die ein Leben unter ihren Möglichkeiten verbringen, über Ehen, die viel besser laufen könnten, über ein Hobby neben dem Tag-ein-Tag-aus, neben der Familie.
(Das Fazit und ein Nachtrag zu Sandrine Bonnaire ... auf Seite 3)