Short Cut to Hollywood

Vom Max Ophüls Preis per Abkürzung nach Hollywood

Short Cut to Hollywood: Vom Max Ophüls Preis per Abkürzung nach Hollywood
Short Cut to Hollywood: Vom Max Ophüls Preis per Abkürzung nach Hollywood
   11.06.2010
Erst die gute Nachricht, den guten Film zuerst? Damals, im Sommer 2004, da war ein deutscher Film so kultig, dass wir uns an Passanten erinnern können, die den Schriftzug auf dem T-Shirt spazieren trugen: Muxmäuschenstill. "Ich bin ein Teil der Gesellschaft, in der wir unsere Ideale verloren haben", sagt der Hauptdarsteller zu Beginn ins Bild einer Videokamera. Testbild-Unterbrechung. Er wiederholt die Aufnahme und den Satz. Er würde das System gern verändern, nein, er will den Mitmenschen helfen. Als Mensch, der für seine Ideale eintritt. Ein geradezu moralbesessener Einzelgänger, der mit seinem täglichen Handeln vorführt, dass die Bürger mit ihrem Respekt vor Bürokratie einen Schritt weit erziehbar sind. Da wird ein Autoraser gestoppt und gezwungen, sein Lenkrad abzuschrauben, Frauchen wird mit dem konfrontiert, was das Hündchen auf dem Gehsteig hinterlassen hat. Graffiti-Sprayer, Exhibitionisten, Gewalttäter - alle werden gestellt und filmisch festgehalten.

Psssst, alles Muxmäuschenstill!

Schiwago Film präsentierte Muxmäuschenstill 2004 in einer Mischung aus Digitalvideo und Filmmaterial, unterlegt mit einem eingängigen Soundtrack von Phirephones. Jan Henrik Stahlberg war Drehbuchautor und spielte den Weltverbesserer Mux. Mux, der einen Langzeitarbeitslosen ins Berufsleben zurückholt, indem er ihn bei seinem "Feldzug" als Kameramann einsetzt.
So werden nicht nur Täter auf frischer Tat dokumentiert, der gewillte Zuschauer sieht auch ein Stück deutsche Zeitgeschichte, in Berlin am Alex und auf der Loveparade, in der U-Bahn, im Hochwassergebiet. Ambivalent führt Muxmäuschenstill gesellschaftliche Missstände vor, zeigt die Fronten nie schwarz-weiß, stattdessen ambivalent und ironisch. Das brachte Marcus Mittermeier (Regie) und Jan Henrik Stahlberg im Erscheinungsjahr den Max-Ophüls-Preis in vier Kategorien ein, ihr Spielfilmerstling wurde auf der Berlinale aufgeführt und für den Deutschen Filmpreis nominiert.

Vom Regen in die Traufe?

Nach der guten die schlechte Nachricht? Short Cut to Hollywood. Nun ja, "schlechtreden" gilt landläufig wohl ebenfalls als typisch deutsch und eine deutsche Filmproduktion zu kritisieren, erscheint gerade zum Veröffentlichungszeitpunkt der DVD kurz vor dem Sommeranfang 2010 unpassend, während der Patriotismus durch Eurovision Song Contest und WM aufflammt. Aber an Rückenwind mangelte es der neuen Produktion von Schiwago Film und Muxfilm (zumindest im Vorfeld) ohnehin nicht. Geldgeber waren u. a. die Filmförderungsanstalt, der Deutsche Filmförderfond, das Media-Programm der Europäischen Union und die Bundesregierung für Kultur und Medien.
Das Gespann Marcus Mittermeier (* 1969 in Landshut) und Jan Henrik Stahlberg (* 1970 in Neuwied) ist wieder vereint, beide diesmal im Regiestuhl und in den Hauptrollen. Vorschusslorbeeren, Filmpreise, finanzielle Unterstützung, ein junges Team drumherum, das sich im Making-of zeigt und ein weiteres Drehbuch von Stahlberg, das erneut das Erfolgsrezept der Gesellschafts- und Medienkritik aufnimmt und es über den großen Teich ins "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" bringt. Geht das auf?
(Unser Bericht nach dem DVD-Abend... auf Seite 2)
Vergilbte, flackernde Aufnahmen aus den Kindheitstagen der drei Freunde Johannes (Stahlberg), Matt (Mittermeier) und Chrismon (Christoph Kottenkamp) leiten Short Cut to Hollywood nach einem angenehm zurückhaltend gestalteten Vorspann ein. Drei glückliche Jungen in Cowboy-Montur.

Das Streben nach Aufmerksamtkeit

Dann der Schnitt in die filmische Jetztzeit, die Johannes mit 37 Jahren, Versicherungskaufmann, in einer Sitzung mit seinem Psychologen zeigt. Berlin ist wieder Ausgangspunkt, als könnte dies eine mögliche alternative Zukunft des Mux aus 2004 sein. Auch Johannes strebt nach Lebenssinn und Aufmerksamkeit. Die Freundschaft hat über die Jahre hinweg gehalten und so beschließen die drei, die Cowboyhüte von damals vor der "echten" Kulisse aufzusetzen. Von Berlin Tegel geht es auf nach New York. Aus Johannes Friederich Salinger wird John F. Salinger. Mit seinem Alter Ego will er die Angst überwinden, nach dem Tod in Vergessenheit zu geraten. Dann doch lieber gleich der Tod, aber wenn schon, dann als Großereignis im Fernsehen angekündigt. Als Köder für die Sender lässt sich John prompt vor laufender Kamera von dem gescheiterten Medizinstudenten Chrismon einen Körperteil amputieren. Das sollte doch das Interesse eines Millionenpublikums wecken und wenn das nicht reicht, dann wird er...

Der tragische Verfall einer Story

Sehen Sie selbst, welche Auswüchse dieses Vorhaben nimmt. Eine nicht neue, aber interessante Ausgangsidee. "Get famous or die trying", werd' berühmt oder stirb beim Versuch, ist auf Johns Arm zu lesen. Einen nationalen Bekanntheitsgrad haben sich die Filmemacher Mittermeier und Stahlberg bereits verdient, doch was hier stirbt, das ist die Story in ihrer Umsetzung. Man sollte jedem Spielfilm eine Chance geben, nicht vorschnell urteilen, schon gar nicht über Kunst. Aber da Sie nach diesen Zeilen eine subjektive Meinung erwarten dürfen: Für uns ist Short Cut to Hollywood zu unentschlossen und durchschaubar. Es ist weder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der TV-Landschaft, da zu überspitzt, noch ist es ein Roadmovie, das dem Betrachter Landschaft und Leute auf der "Abkürzung nach Hollywood" zeigt, oder glaubhaft eine Männerfreundschaft portraitiert.
Keine Szene wirkt im positiven Sinne flüchtig, beiläufig stilsicher, wie bei gelungenen europäischen oder amerikanischen Independent-Produktionen. Mit parodistischen Gesangseinlagen wird er ebenfalls nicht vom Mainstreampublikum akzeptiert werden. Wenn die Satire über das Showgeschäft dramatisch werden möchte, hat sie die Ernsthaftigkeit längst verspielt. Wenn sie witzig sein könnte, wirkt sie überzeichnet. Welche Gefühle soll man am Ende noch zu den Figuren, zum Film entwickeln? Mitleid statt Sympathie? Ausgezeichnet, so wie das Erstlingswerk, wurde der neue Film laut Homepage zumindest einmal: 2009 für die beste Tongestaltung beim Filmkunstfest Meklenburg Vorpommern.
(Zu guter Letzt das Fazit... auf Seite 3)
Mediensatire, ein Beitrag zur bedingungslosen Suche nach Ruhm, das ist aller Ehren wert, auch Schnipsel wie ein satirischer Getränkewerbespot oder eine YouTube Persiflage nach dem Abspann gehören wohl zum Zeitgeist. Dazu gehört der Deutsche Film nach Kräften unterstützt, wo es angebracht ist.

Kompromisse und Leihgaben

In diesem Einzelfall gehen uns die Argumente zum Ausleihen allerdings aus. Das Making-of auf der DVD ist mit mehr als einer Stunde Laufzeit ein nettes Angebot, auch wenn die Dreharbeiten aus der gezeigten Perspektive zeitweilig wie ein Studentenworkshop anmuten. Hürden wie Fahrerlaubnis, Nummernschilder-Beschaffung und Catering werden thematisiert. Viel kreativer Freiraum wird von einem Produzenten vor Ort hervorgehoben, der auf 25 Millionen Dollar Budget zurückzuführen sei. Wir hoffen, das war ebenfalls Satire. Natürlich, die Mittel waren trotz Förderung bescheiden und viele Kompromisse seien während der Dreharbeiten gemacht worden. In den Endcredits beispielsweise ist zu lesen, dass ein Bühnenauftritt vor einer riesigen Publikum der Band Die Ärzte zu verdanken sei, eine Leihgabe. Leihen können Sie sich nun etwas, Short Cut to Hollywood möglicherweise. Denn auch im Zusammenhang mit diesem Online-Text darf die Frage gestattet sein: welchen Medien kann man heutzutage noch über den Weg trauen?
Wir beenden diese Kritik, weniger Worte sind manchmal mehr. So wie bei Muxmäuschenstill, der in einer einzelnen Minute mehr Satire über das Verhältnis zu Amerika transportiert, als die 90 Minuten mit John F. Salinger: Mux kontrolliert im Berliner Nahverkehr eine Gruppe englisch sprechender Fahrgäste und drückt beim Aufschnappen des amerikanischen Slangs sein Mitgefühl über die Ereignisse des 11. September aus. Zu diesem Zeitpunkt wäre man doch irgendwie auch Amerikaner gewesen. Wir sind gar keine Amerikaner, sagen die Angesprochenen, wir kommen aus Afrika. Muxmäuschenstill ist treffsicher.

Männerfreundschaften

Und um abschließend den mehrfach erwähnten Deutschen Film zu stärken, nennen wir noch schnell einen anderen Leihtitel über eine Dreier-Männerfreundschaft, die nicht aus Hollywood, auch nicht aus Berlin, sondern aus Hamburg stammt: Absolute Giganten (1999) von Sebastian Schipper. Fazit: Mux sagt, man müsse mal einen Film von (Michelangelo) Antonioni gesehen haben. Die "Abkürzung nach Hollywood" dagegen nicht.

Short Cut to Hollywood

Komödie

Johannes Selinger (Jan Henrik Stahlberg) ist unzufrieden mit seinem Leben - mit nun 37 Jahren ist er von Ruhm und Unsterblichkeit immer noch weit entfernt. Da kommt ihm die rettende Idee: Mit seinen beiden besten Freunden Mattias Welbinger (Marcus Mittermeier) und...  mehr »

Produktion:
2009
Medien:
DVD
Freigabe:
FSK 16
Bewertung:

Muxmäuschenstill

Komödie

Herr Mux (Jan Henrik Stahlberg) ist frustriert. Die Gesellschaft ist verkommen, und niemand scheint mehr einen Sinn für Moral und Anstand zu haben. Nicht mit ihm! Er nimmt die Zügel selbst in die Hand, indem er loszieht und an Straftätern jeglicher Art -...  mehr »

Produktion:
2004
Medien:
DVD
Freigabe:
FSK 16
Bewertung:

Absolute Giganten

Was haben wir letzte Nacht gemacht?

Absolute Giganten

Was haben wir letzte Nacht gemacht?
Deutscher Film

Floyd (Frank Giering), Ricco (Florian Lukas) und Walter (Antoine Monot Jr.) sind 'Absolute Giganten'. Allerdings nicht etwa, weil sie besonders schlau sind, gut aussehen oder super bei den Mädels ankommen, sondern weil die drei die besten Freunde der Welt sind. Ihre...  mehr »

Produktion:
1999
Medien:
DVD, Blu-ray
Freigabe:
FSK 6
Bewertung:

Blow-Up

Drama

Der Fotograf Thomas (David Hemmings) hat nichts gesehen. Und doch hat er alles gesehen. Heimlich hat er ein Liebespaar im Park fotografiert und erst auf den Vergrößerungen der Fotos entdeckt er Indizien dafür, dass vor seinen Augen ein Mord geschah. Oder doch...  mehr »

Produktion:
1966
Medien:
DVD
Freigabe:
FSK 16
Bewertung:

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