"Das wird wieder..." Filme über die Liebe und den Tod
22.04.2013
S E L B S T V E R S U C H
5 Spielfilme über das Sterben anschauen. Oder über das Leben? Müssen "Problemfilme" befürchtet werden? Ganz im Gegenteil.
Aufhänger für diesen Filmmarathon im Selbstversuch - zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Video Buster Redaktion - ist ein Werk des Regisseurs Julian Schnabel mit dem ungewöhnlichen Titel Schmetterling und Taucherglocke (USA/Frankreich 2007).
Lust & Leid
Einmal abgesehen von Jean-Luc Godards überlieferter Aussage: "All you need to make a movie is a girl and a gun", ist die weitverbreitete Meinung unter Schriftstellern und Regisseuren die, dass es im Grunde nur zwei große Themen in Literatur und Film gibt: Liebe und Tod.
Wie jedoch durch einen Schicksalsschlag Letzterer verfrüht drohen kann und warum man Erstere zelebrieren sollte, dass zeigen uns mehrere außergewöhnliche Filme der vergangenen Jahre.
1. Da wäre Sprich mit ihr (2002) von Pedro Almodóvar, der zwei Wachkoma-Patientinnen und deren Partner/Pfleger in den Mittelpunkt stellt, spanisch-skurril mit starken Emotionen. 2. Etwas leichtherziger geht es in Mein Leben ohne mich (2003) zu, wo Isabel Coixet mit ihrer souveränen Darstellerin Sarah Polley eine anrührende kleine Geschichte um die Mutter zweier Töchter erzählt, die sich in einen Fremden (Mark Ruffalo) neu verliebt.
Ein Film ist ergreifender als der andere und doch stellt sich selbst nach dieser geballten Filmreihe nicht das vermutete Gefühl von Depression ein. Sie wirken als cineastische Medizin!
Denn durchweg zeigen alle großartige Darstellerleistungen, bieten toll komponierte Bilder, gute Drehbücher und sind dabei keineswegs so kopflastig, wie es gerade dem europäischen Kino oftmals vorgeworfen wird.
Trotz ihrer vorgeführten Schicksale und Krankheitsgeschichten sind sie optimistisch und lebensbejahend. So wird die "Taucherglocke" der Erkrankten zwar ungeschminkt gezeigt, gleichzeitig jedoch die Freiheit der Möglichkeiten und Chancen im Leben - der "Schmetterling" als Synonym - zelebriert.
Vom Chefredakteur, zum Pflegefall, zum Schriftsteller
Schmetterling und Taucherglocke, das ist die wahre Geschichte des Jean-Dominique Bauby, der auf der Höhe seines Erfolges als Chefredakteur der Modezeitschrift Elle einen Schlaganfall erlitt und mit 43 Jahren in ein nordfranzösisches Küsten-Hospital eingeliefert wurde. Das seltene Locked-in-Syndrom lähmte in fast vollständig und es blieb ihm nur das linke Auge, mit dessen Hilfe er eine Blinzel-Kommunikation erlernte.
So konnte er zusammen mit seiner geduldigen Therapeutin die Autobiographie 'Le scaphandre et le papillon' Zeichen um Zeichen verfassen. 1997 erscheint das Werk - nur wenige Tage darauf stirbt Bauby.
Die Rückblicke auf sein Leben und die Sicht aus der "Taucherglocke" eines Gelähmten wurde 2007 ergreifend verfilmt und die größte Authentizität ging Regisseur Julian Schnabel vielleicht damit ein, dass er den Film nach Vorlage eines englischsprachigen Drehbuchs dennoch komplett auf französisch umsetzte. Die Darstellerauswahl war davon beeinflusst, die Pariser Produktionsfirma Pathé unterstützte dies und so filmte das Team an originalen Schauplätzen wie auf der Terrasse des ehemaligen Krankenhauses.
Mutig ist gleich der Einstieg, der konsequent aus der subjektiven Perspektive des Patienten eine ganze Weile durchgehalten wird.
Ein mitgeliefertes Making-of auf der DVD zeigt, wie erfinderisch das Filmteam zu Werke ging: Da wurden Latexmasken direkt über das Kameraobjektiv gezogen, man stieg mit der ganzen Aufnahmeeinheit in die Badewanne und die Schauspieler mussten fast ausschließlich mit einer Kamera als Gegenüber interagieren. Das Engagement hat sich gelohnt.
Maler, Regisseur, Fotograf: Julian Schnabel
Der Regisseur Julian Schnabel lebt mit seiner Familie in einem New Yorker Wohnkomplex von dem Ruhm, den ihm die Malerei und insbesondere seine vielschichtigen Collagen seit den 70er-Jahren einbrachten. Interessant war nach Veröffentlichung seines Films ein Zeitungsporträt, das ihn als Bademantel-tragendes Multitalent vorstellte, mit der körperlichen Präsenz eines Bud Spencer. Man müsse seinen Träumen und seinen Fähigkeiten treu bleiben, um erfolgreich zu sein. Authentisch und zuversichtlich sein im Leben. Das war seine Botschaft und das wird auch zum Grundtenor für Schmetterling und Taucherglocke.
Übrigens wurde angeblich mit Johnny Depp um die Rolle des Jean-Dominique Bauby verhandelt und Terminkonflikte mit Fluch der Karibik sollen das verhindert haben. Schließlich kann Glücksgriff Mathieu Amalric sein Talent in der Hauptrolle zeigen, noch bevor er Ende 2008 in James Bonds 22. Leinwandauftritt Ein Quantum Trost den Fiesling geben durfte. An sein Krankenbett stellt Schnabel wunderschöne Darstellerinnen: Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze, Marina Hands und Anne Consigny. Wer mit ihnen keinen Lebenswillen bekommt, dem ist wohl nicht zu helfen, möchte man meinen.
Ein ausgezeichnetes (vielfach ausgezeichnetes!) Werk
In Nebenrollen gesellen sich die lebenden Legenden Max von Sydow und Jean-Pierre Cassel hinzu und so ist diese Filmproduktion in der Tat bis ins Detail mit Talent gesegnet.
Kein Wunder also, dass Schmetterling und Taucherglocke für vier amerikanische Oscars nominiert wurde (Beste Regie: Julian Schnabel, Beste Kamera: Janusz Kaminski, Bester Schnitt: Juliette Welfling, Bestes adaptiertes Drehbuch: Ronald Harwood) und Hauptdarsteller Mathieu Amalric und Cutterin Juliette Welfling darüber hinaus den französischen César erhielten.
Golden Globes gab es in den Sparten "Beste Regie" und 'Bester ausländischer Film", Schnabel und sein Kameramann Kaminski erhielten dazu Auszeichnungen auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes.
Genug der Vorschusslorbeeren: Mit diesem und den zuvor erwähnten Filmen um die zwei großen Themen "Liebe und Tod" ist die Lebenszeit gut angelegt und mit dem ausgestrahlten Lebenswillen sollte sich bei niemandem mehr die Frage stellen, ob es ein Leben vor dem Tod gibt.